Der dunkle Fluss
Enttäuschung gelodert wie ein heiliges Feuer, wenn ich früher betrunken und mit blutiger Nase nach Hause gekommen war. Was ich jetzt sah ... es war neu, und es war hässlich. Sein Gesicht war schlaff und düster, die Augen waren feucht. Er füllte den Sessel aus, als sei er hineingegossen worden. Die offene Flasche war fast leer, im Glas war noch ein halber Fingerbreit. Er starrte etwas in seiner Hand an, und seltsame Gefühle bewegten ihn so, dass seine Züge über die Knochen seines Gesichts zu fließen schienen. Zorn, Reue, die Erinnerung an vergangenes Glück. Das alles kam in stakkatohaften Schüben, und er sah aus wie eine Seele, die aus den Fugen geraten war. Lange Zeit blieb ich in der Tür stehen, und ich glaube, er zuckte nicht ein einziges Mal mit der Wimper. Hätte ich die Augen geschlossen, hätte ich die Farbe Grau gesehen, mit einer leichten Tönung von kaltem Gelb. Ein alter Mann in einem zersplitterten Fragment der Zeit. Ich hatte keine Ahnung, was ich zu ihm sagen sollte.
»Heute Morgen ein paar Hunde erlegt?«
Er räusperte sich und hob den Blick. Dann zog er die Schreibtischschublade auf und ließ hineinfallen, was er in der Hand hatte. Er schloss die Schublade beinahe sorgfältig und schüttelte den Kopf. »Lass dir was über Aasfresser sagen, Junge. Nur 'ne Frage der Zeit, wann sie frech werden.«
Ich wusste nicht, ob er von den Hunden redete oder von den Leuten, die wollten, dass er verkaufte, von Männern wie Zebulon Faith und Gilley der Ratte. Ich fragte mich, ob da ein neuer Druck auf ihm lastete. Körperverletzung und Mord. Dolf im Gefängnis. Ein wachsender Schuldenberg. Welche Mächte hatten sich jetzt gegen meinen Vater verschworen? Würde er es mir sagen, wenn ich ihn fragte, oder wäre ich nur eine weitere Komplikation? Er kam auf die Beine und fand sein Gleichgewicht. Seine Hose war zerknautscht, an den Aufschlägen hing Lehm. Er schraubte den Deckel auf die Bourbonflasche und trug sie zum Sideboard. Der Tag hatte seinen Rücken weiter gebeugt und seinem Gang drei Jahrzehnte hinzugefügt. Während er die Flasche hinstellte, ließ er die Hand an ihrem Hals heruntergleiten. »Hab gerade mal einen auf Dolf getrunken.«
»Gibt's was Neues?«
»Sie lassen mich nicht zu ihm. Parks ist wieder nach Charlotte gefahren. Er kann nichts machen, wenn Dolf ihn nicht beauftragt.« Er blieb am Sideboard stehen; in seinen hellen Koteletten fing sich das leichte, gelbe Licht so perfekt, dass es aussah, als sei es die einzige Farbe, die noch übrig war auf der Welt.
»Hat sich irgendetwas geändert?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Seltsame Dinge können im menschlichen Herzen passieren, Adam. Da gibt es Kräfte, die einen Mann zerbrechen können. Das ist das Einzige, was ich sicher weiß.«
»Reden wir immer noch von Dolf?«
Er versuchte, sich zusammenzureißen. »Wir reden einfach, mein Junge.« Er blickte hoch und rückte ein gerahmtes Foto an der Wand gerade. Es zeigte ihn und Dolf und Grace. Sie war vielleicht sieben; ihre Zähne waren zu groß für ihr Gesicht, und sie lachte strahlend. Er starrte sie an, und da wusste ich Bescheid.
»Du hast es Grace gesagt, nicht wahr?« Er atmete kraftlos aus. »Sie sollte es von jemandem hören, der sie liebt.«
Ich war plötzlich verzweifelt. Dolf war alles, was sie hatte; auch wenn sie sich abgebrüht gab, war sie noch ein halbes Kind. »Wie geht's ihr?«
Er schniefte und schüttelte den Kopf. »Sie ist so wenig Grace, wie ich sie noch nie gesehen habe.« Er wollte sich mit einer Hand auf das Sideboard stützen, aber er griff daneben und fing sich nur knapp. Aus irgendeinem Grund musste ich an Miriam denken, wie auch sie am Rande eines dunklen Abgrunds entlangtaumelte. »Hast du mit Miriam gesprochen?", fragte ich.
Er wedelte mit der Hand. »Ich kann nicht mit Miriam reden. Ich hab's versucht, aber wir sind zu verschieden.«
»Ich mache mir Sorgen um sie.«
»Du hast keine Ahnung von nichts, Adam. Das waren fünf Jahre.«
»Ich weiß, dass ich dich noch nie so erlebt habe.« Plötzliche Kraft floss durch seine Gelenke — Stolz, nahm ich an.
Er richtete ihn auf und ließ sein Gesicht kupferrot anlaufen. »Ich bin immer noch weit davon entfernt, dir Rechenschaft ablegen zu müssen, mein Sohn. Verdammt weit.«
»Ach ja ?«
»Ja.«
Plötzlich gehörte die Wut ganz allein mir. Sie war nackt und befeuert von dem Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. »Dieses Land ist seit mehr als zweihundert Jahren im Besitz unserer
Weitere Kostenlose Bücher