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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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ihr keinen.«
    Er setzte sich, und ich setzte mich. Eine dünne Schweißschicht war auf seine Oberlippe getreten. »Worum ging es bei dem Streit?«, fragte ich. »Zwischen Ihnen und meinem Vater?«
    Er lehnte sich zurück und kratzte sich mit einem Finger an seinem Toupet. »Lassen Sie uns zunächst eines klarstellen. Das Gesetz ist das Gesetz, und die Vergangenheit ist die Vergangenheit.
    Sie sind hier in meinem Richterzimmer, und ich bin der Richter. Ich bespreche in meinem Richterzimmer nichts Persönliches. Überschreiten Sie diese Grenze, und Sie glauben nicht, wie schnell die Justizwache hier ist.«
    »Sie haben mich wegen Mordes eingesperrt. Sie haben Dolf wegen Mordes eingesperrt. Es fällt schwer, das nicht persönlich zu nehmen.«
    »Dann können Sie auf der Stelle gehen. Ich bin Ihnen nichts schuldig.« Ich bemühte mich um Ruhe. Ich war aus einem bestimmten Grund hier.
    Der Richter war dunkelrot angelaufen. Im Vorzimmer knarrte ein Stuhl. Ich lehnte mich zurück, atmete ein, atmete aus, und als ich sein Lächeln sah, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen. »So ist es gut«, sagte er. »So ist es besser. Ich wusste, irgendwo gibt es einen Chase, der vernünftig sein kann.« Er strich mit seinen manikürten weißen Händen über die Schreibtischplatte. »Wenn Sie nur Ihren Vater dazu bringen könnten, genauso vernünftig zu sein.«
    »Sie wollen, dass er verkauft?«
    »Ich will, dass er das Wohl dieses Countys im Auge behält.«
    »Waren Sie deshalb bei ihm?«
    Er beugte sich vor und wölbte die beiden Hände, als halte er ein sehr großes Juwel. »Hier sind Chancen. Chancen für Sie, Chancen für mich. Wenn Sie nur mit ihm sprechen könnten ...«
    »Er weiß selbst, was er will.«
    »Aber Sie sind sein Sohn. Er wird auf Sie hören.«
    »Waren Sie deshalb bereit, mich zu empfangen? Weil Sie wollen, dass ich mit meinem Vater spreche? »Sein Miene wurde verschlossen, und das Lächeln verschwand. »Irgendjemand muss ihn ja zur Vernunft bringen.«
    »Zur Vernunft«, sagte ich.
    »Ganz recht.« Er versuchte, wieder zu lächeln, aber jetzt gelang es nicht. »Für Ihre Familie haben sich die Dinge vom Schlechten zum Schlimmeren entwickelt. Mir scheint, hier ist die perfekte Gelegenheit für Sie, Ihre Familie in eine bessere Richtung zu steuern. Ein bisschen Geld zu machen. Dem County zu helfen ...«
    Aber das alles hörte ich nicht. Meine Gedanken waren stecken geblieben. »Vom Schlechten zum Schlimmeren ...«, wiederholte ich.
    »Ja.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Er öffnete die Hände und hob die rechte, die Handfläche nach vorn gewandt. »Schlecht«, sagte er und hob die linke Hand. »Schlimmer.«
    Ich deutete auf seine rechte Hand, und ich wusste, dass er die unterdrückte Wut in meiner Stimme hören konnte. Und dass es ihm Spaß machte. »Fangen Sie mit dem Schlechten an«, sagte ich.
    »Ich fange mit dem Schlimmeren an.« Er wackelte mit der Hand. »Wieder sitzt einer Ihrer Lieben wegen Mordes in Haft. Auf Ihrem Grund und Boden werden Leute tot und verletzt gefunden. Die Stadt ist wütend —«
    »Nicht die ganze Stadt«, unterbrach ich.
    Er legte den Kopf schräg und wurde lauter, als er fortfuhr. »Riskante Geschäftsentscheidungen.«
    »Was für riskante Geschäftsentscheidungen?« Sein Mundwinkel zückte. »Ihr Vater hat Schulden. Ich bin nicht sicher, ob er sie bezahlen kann.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Die Stadt ist klein, Adam. Ich kenne viele Leute.«
    »Und das Schlechte?«
    Er ließ die Hände sinken, und ich wusste, dass sein gequälter Gesichtsausdruck nur gespielt war. »Muss ich das wirklich erklären?«
    Ich biss die Zähne zusammen. Fest.
    »Ihre Mutter war eine schöne Frau ...«
    Er drehte das Messer in der Wunde, weil es ihm Genugtuung bereitete. Das sah ich und ließ mich nicht darauf ein. Ich stand auf und hob einen Finger, und dann wandte ich mich ab und ging davon. Er folgte mir ins Vorzimmer Ich spürte ihn hinter mir, als ich am Schreibtisch seiner Sekretärin vorbeiging. »Vom Schlechten zum Schlimmeren«, sagte er, und ich drehte mich um. Ich weiß nicht, was seine Sekretärin in meinem Gesicht sah, aber sie wählte eine Nummer, als ich die Tür hinter mir schloss.

DREIUNDZWANZIG
    M ein Vater war betrunken. Er war allein im Haus, und er war sternhagelvoll. Ich brauchte ungefähr drei Sekunden, um das zu erkennen — hauptsächlich deshalb, weil ich es noch nie erlebt hatte. Arbeit im Übermaß, alles andere mit Maßen, das war seine Religion, und deshalb hatte seine

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