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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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würde er Schmiergeld anbieten? Wem nicht?
    Jetzt stand er am Rand der Rennbahn vor den Toren der Stadt und beobachtete aufmerksam das Rennen. Denn einige der Pferde, die hier starteten, würden eventuell auch beim Palio laufen. Noch stand die endgültige Auswahl allerdings nicht fest.
    Der capitano musterte die Pferde: Fabioncello war der Sieger des letzten Palio. Sollte das Los dieses Pferd für den Adler bestimmen, so kam das einem Sechser im Lotto gleich.
    Fabioncello war ein hübscher Brauner, dessen Exterieur in jeder Hinsicht den Rassestandards des Salerners entsprach, einer der ältesten italienischen Pferderassen, die einer Kreuzung zwischen Andalusier und Neapolitaner entstammte. Er hatte ein Stockmaß von einem Meter sechzig, einen ausgeprägten Kopf, eine lange Schulter und eine kräftige, leicht abfallende Hinterhand. Insgesamt hatte er ein ausreichend stabiles Fundament, um sich gegen Kontrahenten durchzusetzen. Außerdem war er intelligent und reaktionsschnell.
    Ja, sollte das Schicksal dem Adler Fabioncello zuweisen, dann würde Signore Morelli nicht nur vor Freude eine Luftsprung machen, er wäre sogar bereit, der Kirche Oratorio di San Giovanni Battista in seinem Stadtviertel eine anständige Spende zukommen zu lassen. Marias Vater verdrehte die Augen zum Himmel, als hoffte er, dass dort oben jemand seine Gedanken und sein Versprechen mitbekommen hatte und entsprechend handelte.
    Denn sollte der Adler stattdessen ein Pferd wie jenes zugesprochen bekommen, das in diesem Augenblick am capitano vorbeigeführt wurde, dann … Aber daran wollte Morelli lieber gar nicht erst denken.
    Amarosa gebärdete sich, als wäre ein Rudel Wölfe hinter ihr her. Sie wieherte, schlug aus und versuchte unentwegt zu steigen. Ihre Flanken zitterten und glänzten schweißnass und sie hatte bereits Schaum vor den Nüstern, obwohl das Rennen noch gar nicht gestartet worden war.
    Signore Morelli schüttelte den Kopf. Nein, die heilige Mutter Gottes mochte verhindern, dass Amarosa für den Adler lief. Er verstand auch nicht, warum dieses Pferd zu jenen gehörte, die in die engere Wahl für den Palio gekommen waren. Gut, es hatte Temperament und konnte auch schnell sein, wenn es wollte. Nur wollte es eben meistens nicht. Amarosa hatte gewiss gute Anlagen und vielleicht würde aus ihr eines Tages ein brauchbares Rennpferd werden, wenn es jemand fertigbrachte, ihr Temperament zu zügeln und in die richtigen Bahnen zu lenken. Und wenn sie es schaffte, vor einem Rennen ein bisschen weniger nervös zu sein. Aber noch war sie in etwa so unberechenbar wie ein Sandsturm in der Wüste.
    Über Manolo, der jetzt an ihm vorbeigeführt wurde, wusste Signore Morelli so gut wie nichts. Allerdings erschien ihm der Wallach etwas lahmarschig. Das, was Amarosa an Temperament zu viel hatte, hatte Manolo offensichtlich zu wenig.
    Und das nächste Pferd, Ragazza, hatte seine besten Zeiten eindeutig hinter sich. Vor fünf oder sechs Jahren konnte es mehrere Rennen dominieren. Doch das war lange her. Der capitano hielt es deshalb für fraglich, ob Ragazza noch einmal ausgewählt werden würde.
    Die Stute Fairway machte dagegen einen guten und austrainierten Eindruck. Signore Morelli nickte wohlwollend bei ihrem Anblick. Wenn sie zu den zehn gewählten Pferden gehörte, würde das ihr erster Palio sein. Aber bei anderen Rennen hatte der Schimmel bereits bewiesen, dass er etwas konnte. Und Morelli beschloss, seine Stimme für dieses Pferd herzugeben, wenn es in drei Tagen zur Abstimmung kam.
    Wenn er sich allerdings ein Pferd aussuchen dürfte, so würde seine Wahl auf Fabioncello fallen. Aber natürlich suchte sich der capitano das Pferd nicht selbst aus, sondern war auf das Schicksal des Loses angewiesen. Anderenfalls hätten sich vermutlich zehn erwachsene Männer um das Recht geprügelt, Fabioncello in die eigene casa del cavallo zu führen.
    »Ciao, Filipo!« Der kleine Mann mit einem für einen Süditaliener ungewöhnlich hellen Haarschopf streckte dem capitano die Hand entgegen.
    »Ciao, Gabriel!« Signore Morelli drückte die ihm dargebotene Hand herzlich. Die Begegnung mit den Jockeys war der zweite Grund für seine Anwesenheit auf dieser Rennbahn. Neben der Begutachtung der Pferde war der Kontakt zu den fantini von erheblicher Bedeutung für das Gelingen eines Rennens. Wen konnte man für sich gewinnen? Wer lehnte eine Kooperation entschieden ab?
    »Wie geht’s?«
    »Könnte nicht besser sein.«
    »Du reitest für den Wald, habe ich

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