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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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hatte.
    »Ciao, Guiletta!« Sie küsste die alte Frau auf beide Wangen. Dafür musste sie sich ein wenig herunterbeugen, denn Giuletta war sogar noch ein bisschen kleiner als sie selbst. Außerdem trug Maria Schuhe mit Absätzen.
    »Wie geht es dir? Ich freue mich so, dich zu sehen!«
    Giuletta legte ihre knochige alte Hand an Marias Wange und betrachtete sie liebevoll. »Ach, wie soll es einer alten Frau schon gehen«, sagte sie. »Aber wie geht es dir? Du siehst dünn aus, mein Kind, isst du auch genug?«
    Maria musste ein Lachen unterdrücken. Giuletta hatte sich schon früher stets Sorgen darum gemacht, dass Maria genug zu essen bekam. In die Schule hatte sie ihr deshalb nicht ein oder zwei, sondern gleich drei Brote mitgegeben, die Maria natürlich nie aufessen konnte, die sie aber regelmäßig an ihre Klassenkameraden verschenkte, damit Giuletta zufrieden war.
    »Natürlich esse ich genug«, antwortete sie jetzt.
    »Du musst mehr auf die Rippen kriegen«, fuhr Giuletta fort. »Das mögen die Männer, weißt du?«
    »Ach, Giuletta, mach dir keine Sorgen um mich. Angelo mag mich so, wie ich bin.«
    »Aber natürlich tut er das«, stimmte Giuletta ihr zu. »Sonst wäre er ja auch ein Dummkopf.«
    Die zwei Frauen lachten.
    »Wann besuchst du uns mal wieder?«, fragte Maria. »Mein Vater würde sich bestimmt auch freuen, dich zu sehen.«
    »Meine Tochter kommt nächstes Wochenende mit meinen Enkelkindern«, erzählte Giuletta, »aber ich komme gern bald noch einmal vorbei. Vielleicht nach dem Palio. Vorher gibt es ja immer so viel zu tun.«
    Und wie aufs Stichwort riefen die anderen Frauen bereits wieder nach Giuletta.
    »Also dann nach dem Palio«, sagte Maria, »versprochen!« Und sie lächelte herzlich, während ihr Giuletta noch einmal zuwinkte und sich anschließend umwandte, um mit dem Aufräumen und Putzen fortzufahren.
    Maria blickte der alten Haushälterin eine Weile hinterher. Sie freute sich zu sehen, dass es Giuletta gut ging. Und spätestens beim Festbankett am Abend vor dem Rennen, auf dem sich das gesamte Stadtviertel traf, um gemeinsam zu essen und zu trinken, würde sie ihr wieder begegnen. Vielleicht hatten sie dann ja mehr Zeit füreinander.
    Maria setzte ihren Weg fort. Auf das Festbankett freute sie sich jedes Mal, es war das schönste Fest des Jahres. Und dieses Mal würde es sicher besonders schön werden, weil Claudia aus Mailand zu Besuch kam. Sie hatte eine Menge mit ihrer besten Freundin zu besprechen. Bei ihrem letzten Telefonat hatte Claudia angedeutet, dass es zwischen ihr und ihrem Freund, einem Kommilitonen, den sie im ersten Studiensemester kennengelernt hatte, in letzter Zeit nicht mehr so gut lief und dass sie sich häufig stritten. Nun, dafür hatte Maria im Augenblick wahrhaftig genug Kraft für zwei. Bei ihr und Angelo war alles genauso wie es sein sollte. Sie freute sich deshalb darauf, für ihre Freundin da sein zu können. Leider würde Angelo während des Festessens nicht an ihrer Seite sein, denn er feierte selbstverständlich mit seiner Familie und seinen Freunden in der contrada del drago . Streng bewacht von seinem capitano, damit er keine Absprachen mit anderen treffen konnte. Dabei würde er das ohnehin nie tun.
    Sie lächelte verliebt. Angelo hatte ihr erzählt, wie ihr Vater versucht hatte, ihn zu einem Geschäft zu überreden. Er sollte Fernando während des Rennens helfen und ihm den Panther vom Leib halten. Natürlich hatte Angelo das abgelehnt. Maria wäre zwar froh gewesen, wenn er dem Adler seine Unterstützung zugesichert hätte, andererseits liebte sie ihn für seine Unbestechlichkeit.
    Welches Pferd dem Adler wohl bei der Verlosung zugesprochen werden wird?, überlegte sie, als sie jetzt an der casa del cavallo, dem Pferdestall, vorbeikam. »Stall« war eigentlich nicht das richtige Wort. Casa del cavallo, Haus des Pferdes, war die weitaus treffendere Bezeichnung. Auch die Auslosung des Pferdes war etwas, das sich der Einflussnahme des capitano entzog. Genau diese Mischung aus guter Vorbereitung und Glück – manche nannten es wohl auch Schicksal – war es, was den Palio so reizvoll machte.
    Auch in der casa del cavallo liefen die Vorbereitungen für die Ankunft des Pferdes bereits auf Hochtouren. Obwohl es noch einige Zeit dauern würde, bis das Pferd einziehen konnte. Und doch wurde der Raum schon mit Bildern der vergangenen Sieger geschmückt, die Halfter wurden ordentlich aufgehängt und alles für die Ankunft des bàrbaro, des Pferdes, vorbereitet. Ob

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