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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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gekommen.
    Den Großteil meines Lebens war Ben O’Malley einfach nicht vorhanden gewesen. Vor Jahren hatte ich ihn einmal angerufen und gedacht, er käme wie der Ritter in der glänzenden Rüstung und würde mich retten. Seine Sekretärin hatte mir erklärt, er sei zu beschäftigt, um ans Telefon zu kommen, und mir versprochen, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Er hatte nie zurückgerufen. Danach hatte ich mich geweigert, mit ihm zu sprechen.
    Ben merkte, dass ich aufgewacht war und kam zu mir ans Bett. »Remy? Wie fühlst du dich?«
    Mein Blick wanderte über seine hochgewachsene Gestalt und ich musterte ihn zum ersten Mal seit Jahren. Dass ich seine Tochter war, war nicht zu übersehen. Ich war beinahe so groß wie er und hatte ebenso welliges, fast schon krauses dichtes Haar, wenngleich seines grau meliert war, meines dagegen schmutzig blond.
    »Remy?«
    Mein Vater nahm einen rosa Krug vom Beistelltisch und goss Wasser in eine Tasse. Er steckte einen Strohhalm hinein und hielt sie mir hin. Am liebsten hätte ich abgelehnt, aber mein Hals war völlig ausgedörrt. Nach ein paar Schlucken lehnte ich mich zurück und mir fiel auf, dass meine Verletzungen inzwischen eigentlich verheilt hätten sein müssen. Was auch immer mit Dean geschehen war, meine Selbstheilungskräfte hatten darunter gelitten, obwohl ich Anna problemlos hatte behandeln können.
    Die Stimme meines Vaters riss mich aus meinen Gedanken.
    »Die Polizei hat angerufen und mir mitgeteilt, dass meine Tochter ins Krankenhaus eingeliefert worden sei«, sagte Ben. »Sie äußerten den Verdacht, der Mann ihrer Mutter hätte sie so zugerichtet, obwohl Anna das bestritten hat.«
    Die Bullen hatten ihr ihre Lügen nicht abgenommen.
    »Und?«, krächzte ich.
    Ben zog die schwarzen Brauen über ebenso marineblauen Augen wie meinen zusammen. »Was, und?«
    »Und, was machst du hier?«
    »Habe ich dir doch gesagt. Es hieß, du seist verletzt«, wiederholte er verwirrt.
    Mein raues Lachen klang wie eine alte Maschine, kurz bevor sie ihren Geist aufgibt. »Und wo warst du die letzten acht Male?«
    Seine Erschütterung traf mich deshalb so hart, weil er sich bisher nicht darum gekümmert hatte, was mit mir passierte. Ben holte tief Luft, sein gebräuntes Gesicht wurde aschfahl und seine Stimme klang vor Wut gepresst: »Warum hast du mir nichts davon erzählt? Ich hätte dir geholfen. Remy, ich hätte …«
    Ich lachte wieder und schüttelte den Kopf. Er gab mir die Schuld! »Genau. Du hättest. Wieso gehst du nicht zurück zu deiner Frau und deiner perfekten Familie? Da kannst du dir dann wieder einreden, was für ein guter Vater du bist, wenn du den nächsten Unterhaltsscheck unterschreibst.«
    Ich blendete ihn aus, indem ich die Augen schloss, so wie ich es bei Anna auch getan hatte. Es war einfach zu viel. Das Auftauchen meines Vaters, meine Mutter und Dean, meine unberechenbaren Fähigkeiten … und die nagende Angst davor, wie Dean sich rächen würde.
    Dann sagte mein Vater: »Ich nehme dich mit. Ab sofort wohnst du bei mir.«
    Zwei Tage darauf blies ein schneidend kalter Märzwind durch meinen dünnen Mantel und löste mir das Haar aus dem Haargummi, als ich mich aus dem Haus meines Vaters schlich. Ich machte mich zu dem verlassenen Strand in der Nähe des Bootshafens am Ende der Straße auf. Geschmolzener Schnee vermischte sich mit dem Sand und Schmutz, sodass Pfützen aus wässrigem Matsch entstanden. Steine und zerbrochene Muschelschalen lagen über den Strand verstreut, und ich bahnte mir meinen Weg hin zu einem verwitterten Felsblock, auf den ich mich setzte und ein einzelnes Segelboot dabei beobachtete, wie es über die Wellen flog. 
    Beim Anblick des Waldes mit seinen nackten Baumdamen, die ohne ihre Herbstkleider schlotterten, des blauen Wassers im Hafen und des riesigen Morgenhimmels verrauchte mein Zorn. Bei meinem Vater hatte sich das Gewissen gemeldet. Anna hatte geweint, als ihr Ben sagte, er würde mich mitnehmen, zum Teufel mit der Sorgerechtsvereinbarung. Mich hatte er nicht gefragt, sondern den großen Macker markiert, bis ich mich unvermittelt in einem Flugzeug nach sonst wo in Maine wiederfand.
    Was ich wollte, kümmerte niemanden. Meine Gedanken kreisten schon so lange einzig und allein darum, wie ich Dean überlebte, dass ich mir nicht sicher war, wie meine Antwort ausgefallen wäre. Es gab drei Möglichkeiten: Ich konnte aufgeben und Dean gewinnen lassen; ihn davon überzeugen, dass ich nichts wert war. Oder ich konnte wegrennen und

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