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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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auf eigene Faust versuchen durchzukommen. Mit meinen Ersparnissen würde ich es schaffen, in einem billigen Hotel eine Woche Freiheit zu genießen, aber das war’s dann auch schon. Die letzte Möglichkeit bestand darin, die Hilfe meines Vaters anzunehmen. Vielleicht unterschrieb mir Ben ja eine Volljährigkeitserklärung.
    Sollte ich hierbleiben, musste ich aufpassen, dass niemand von meinen freakigen Fähigkeiten erfuhr. Ich musste meine Wunden also in Ruhe lassen, schließlich würde es den anderen auffallen, wenn meine Blutergüsse mir nichts, dir nichts verschwanden. Dennoch musste ich wissen, ob meine Selbstheilungskräfte wieder funktionierten. Menschenmengen konnten tödlich sein, wenn Fremde neben mir an etwas litten, das ich nicht heilen konnte. Mitunter übermannten mich ihre Schmerzen, sosehr ich mich auch darauf konzentrierte, sie abzublocken.
    Damit mein Geheimnis nicht aufflog, probierte ich es an einer Verletzung, die man nicht sah: an einer meiner gebrochenen Rippen. Wie schon viele Male zuvor, stellte ich mir die gebrochene Rippe vor und malte mir aus, wie sie heilte. Als der Knochen zusammenwuchs, spürte ich seitlich ein scharfes Stechen und ich schnappte nach Luft. Doch dann ließ der Schmerz nach und ich konnte wieder freier atmen. Erleichtert streckte ich mein Gesicht der Sonne entgegen.
    Ein Kameraauslöser klickte.
    Einige Meter entfernt stand ein Typ ungefähr in meinem Alter und hielt eine dieser mit allen Schikanen ausgestatteten Profikameras in der Hand. Als ich ihn mir genauer betrachtete, setzte mein Herz aus.
    Umwerfend. Hätte ich ihn mit einem Wort beschreiben müssen, ich hätte dieses gewählt. Er war groß und schlank, schien sich in seiner Haut wohlzufühlen und wirkte selbstsicher. Er war größer als ich, worüber ich mich merkwürdigerweise freute. Dunkles schokoladenbraunes Haar umspielte in langen Wellen seinen Nacken. Scharfe Kanten kennzeichneten sein gebräuntes Gesicht. Volle sinnliche Lippen und ein markantes, von Bartstoppeln beschattetes Kinn vervollständigten das Bild, das durch eine ungefähr fünf Zentimeter lange weiße Narbe entstellt wurde, die mitten durch eine Augenbraue führte und sich bis zum oberen Teil eines Wangenknochens hinzog.
    Und seine Augen. Ich hielt die Luft an. Selbst von Weitem erinnerte mich ihre dunkelgrüne Farbe an die Wälder um den Bootshafen. Ihr konzentrierter Ausdruck zeigte einen Anflug von Überraschung, als hätte er am Strand keine Gesellschaft erwartet. Eine mir nur zu bekannte schicksalsergebene Einsamkeit umgab ihn und weckte in mir unvermittelt das Gefühl von Seelenverwandtschaft.
    Er zog eine seiner dichten Brauen hoch, und ich merkte, dass ich seinen Blick schon geraume Zeit erwidert hatte.
    In tödlicher Verlegenheit schaute ich wieder in Richtung Hafen. Doofe Remy . Vermutlich hat er die Landschaft fotografiert. Ich fragte mich, ob er mich ansprechen würde. Vielleicht würde er sagen: »Kennen wir uns nicht?« Es würde aber keiner dieser dummen Anmachesprüche sein. So schlaksig und jungenhaft dünn, wie ich war, war ich nicht der Typ von Mädchen, auf den Jungs standen. Ich war das Mädchen, das zwei Jahre lang auf eine Highschool ging, ohne auch nur eine einzige Eroberung gemacht zu haben.
    Es war sowieso egal. Er ging mit langen Schritten aufs Wasser zu. Als er es erreicht hatte, drehte er sich von der Bucht weg, als überlege er, als Nächstes den Wald hinter mir mit dem Himmel als Hintergrund zu fotografieren.
    Ich linste zu ihm hinüber, sah aber schnell wieder weg, als ich merkte, dass er zurückstarrte. Mein Herz kam ins Stolpern, bis mir die Bedeutung jener hochgezogenen Braue klar wurde. Es liegt an den Blutergüssen! An diesem Morgen hatte mir der Badezimmerspiegel ein blaues Auge und eine schauerliche Kette aus gesprenkelten Lila- und Blautönen um meinen Hals gezeigt, die den Abdruck von fünf Fingern verrieten. Mein zerschundenes Gesicht war es, das die Neugierde des Fremden geweckt hatte. Ich kam mir dämlich vor und erwiderte trotzig seinen Blick. 
    Er tat nicht einmal so, als würde er etwas anderes beobachten als mich. Er nahm seine Kamera in beide Hände und sein Blick wanderte über mein Gesicht und mein zerzaustes Haar, woraufhin ich so tat, als wäre ich ganz in die Aussicht vertieft.
    Bald erwachte die kleine Stadt zum Leben, man hörte Autos, das Treiben der Menschen, und die seltsame Intimität des abseits liegenden Strandes ließ nach. Am Bootshafen musste ein Restaurant aufgemacht haben. Bei

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