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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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stand.
    Plötzlich fiel eine Hand auf seine Schulter.
    Rasch drehte er sich um.
    »Sie haben es sich also doch anders überlegt, Professor«, sagte Simon Groom.

4. Kapitel
    20. April
     
    Carruthers verlor keinen Moment die Fassung.
    »Ach, Mr. Groom«, sagte er in ruhigem Ton, »genau Sie habe ich gesucht. Ja, ich hab es mir nun doch anders überlegt; aber das ist, so meine ich, ein Privileg des Wissenschaftlers.«
    Groom schaute ihn schweigend an, bedeutete ihm dann, Platz zu nehmen, setzte sich ihm gegenüber und machte es sich in den Polstern bequem. Er zündete eine Zigarre an, und als er den blauen Rauch ausstieß, kräuselte ein schwaches, ziemlich unangenehmes Lächeln seine Lippen.
    »Professor Barstow«, sagte er endlich, »Sie überraschen mich.«
    Carruthers erwiderte nichts.
    »Ja«, fuhr Groom fort und beugte sich vor, »ich bin überrascht und, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, auch ein bißchen ratlos.«
    Carruthers, der seine Pfeife stopfte, spürte den Blick der kleinen, runden Augen seines Gegenübers auf sich ruhen.
    »Sie müssen wissen«, fuhr dieser fort, »daß ich mir immer geschmeichelt habe, Menschenkenntnis zu besitzen. Von dieser Tatsache ausgehend finde ich Ihre, nennen wir sie einmal totale Kehrtwendung ganz einfach unverständlich. Ich habe Ihnen wohl den Rat gegeben, über meinen Vorschlag nachzudenken, aber, um ganz ehrlich zu sein, ich habe nicht eine Sekunde geglaubt, daß Sie daraufhin mein Angebot annehmen würden. Darf ich fragen, was Sie veranlaßt hat, Ihre etwas – hm – unrealistischen Ideale aufzugeben?«
    Carruthers hatte diese Frage erwartet.
    »Vertrauen gegen Vertrauen, Mr. Groom«, gab er zur Antwort. »Ich habe meine Meinung in keiner Weise geändert. Ich stehe nach wie vor zu dem, was ich gesagt habe.«
    Groom blickte ihn erstaunt und fragend an.
    Heuchlerisch fuhr Carruthers fort: »Aber schließlich waren ja noch andere Faktoren zu berücksichtigen. Ich bin nicht reich, Mr. Groom. Schon seit einer Weile komme ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit nicht vorwärts, weil mir die finanziellen Mittel fehlen. Also habe ich mir eine Frage gestellt: Kann ich es mir in meiner Lage überhaupt leisten, Ihr Angebot abzulehnen? Ich sah ein, daß ich das nicht konnte. Und dann ist es ja auch unwahrscheinlich, daß Sie nicht hinter Kassens Geheimnis kommen. Warum sollte ich Sie also nicht unterstützen, damit wir schneller vorwärtskommen?«
    Groom, der für Geld alles tat, würde annehmen, daß alle Leute für Geld alles tun, und folglich diesen Grund einleuchtend finden. Er hatte sich nicht verrechnet. Ein Blick auf Grooms Gesicht zeigte ihm, daß seine Erklärung den Argwohn des anderen eingeschläfert hatte.
    Groom nickte zustimmend.
    »Professor«, sagte er mit entwaffnendem Lächeln, »ich sehe, daß Sie ein Mann nach meinem Herzen sind. Ich empfinde es als einen glücklichen Zufall, daß ich Sie über mein Reiseziel informiert habe.«
    Carruthers sah die Falle sofort. Groom wollte herausfinden, ob Carruthers im Zug war, weil ihm ein Dritter einen Tip gegeben hatte. Er lachte.
    »Es wäre leichter für mich gewesen, wenn ich Genaueres gewußt hätte. Wenn ich Ihnen jetzt hier gegenübersitze, so ist das Glück daran schuld und nicht mein Scharfsinn. Ich kam zu spät ins Ritz. Doch der Gepäckträger hat mir Auskunft geben können.«
    Groom schien befriedigt.
    »Nun, Professor, ich bin überrascht, und meine Selbsteinschätzung hat etwas gelitten, aber ich muß gestehen, daß ich mich freue, Sie zu sehen. Wie wäre es, wenn wir in den Speisewagen übersiedeln würden? Über das Geschäftliche läßt sich beim Mittagessen sicher besser plaudern.«
    »Mr. Groom«, bemerkte Carruthers etwas später, »wenn wir auch punkto Ethos nicht übereinstimmen, so haben Sie doch als Gourmet meine restlose Bewunderung.«
    Groom zuckte die Schultern.
    »Man tut, was man kann, aber diese Züge …« Verzweifelt hob er die Hände. »Ich hoffe, daß der Bordeaux halbwegs genießbar ist. Dieses Rütteln und Schütteln macht ja jeden Wein kaputt.«
    »Der Wein ist von einem Kenner ausgewählt«, verkündete Carruthers feierlich.
    »Dann können wir ja jetzt das Geschäftliche besprechen.«
    Carruthers nickte zustimmend.
    »Zuerst muß ich Sie nochmals auf die Notwendigkeit absoluter Geheimhaltung hinweisen, Professor. Wenn es auch unwahrscheinlich ist, so ist es doch möglich, daß die Konkurrenz schon von Kassens Erfindung Wind bekommen hat. Sollte dies der Fall sein, so weiß ich schon,

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