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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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den Abhang vorbeifliegen und überlegte seinen nächsten Schachzug.
    Er mußte die Bekanntschaft der Dame machen, er mußte mit ihr sprechen. Aber wie sollte er sie anreden? Es kam nicht in Frage, ihr seine wahre Identität und sein Vorhaben zu verraten, und genausowenig durfte er ihr sagen, daß er als Professor Barstow reiste. Er mußte also als Mitreisender ein Gespräch mit ihr anfangen. Das würde nicht leicht sein. Sie sah gar nicht so aus, als würde sie sich von einem Unbekannten ansprechen lassen. Er ließ im Geiste die verschiedensten Gesprächseröffnungen passieren, aber er verwarf sie alle als zu geistlos, und er war immer noch dabei, sich etwas Originelles auszudenken, um sein Ziel zu erreichen, als ihm der Zufall zu Hilfe kam.
    Der Zug war jetzt aus der Schlucht heraus und fuhr in einen langen Tunnel. Plötzlich verminderte er seine Geschwindigkeit, und als er aus dem Tunnel herauskam, fuhr er nur noch im Schrittempo. Von hinten ertönte ein andauerndes, durchdringendes Kreischen, und dann kam der Zug mit einem Ruck zum Stehen.
    Sofort öffneten sich Fenster, an denen Köpfe erschienen. Einige Bahnbeamte verließen den Zug und schauten unter die Wagen. Bald gesellte sich der mit einem langen, blauen Mantel bekleidete Lokomotivführer zu ihnen. Erregtes Stimmengewirr war zu hören. Es schien an den Bremsen des rumänischen Wagens zu liegen, und der Lokomotivführer zerrte an einem Hebel, der unter dem Fahrgestell hervorschaute. Die Bahnbeamten taten desgleichen, jeder von ihnen zerrte an dem Hebel, der an diesem unvorhergesehenen Halt schuld war, und aus den Wagenfenstern ertönte ein wahres Feuerwerk blöder Bemerkungen.
    Einige Passagiere ließen es sich nun einfallen auszusteigen, und sie umringten die Bahnbeamten. Andere folgten. Einer oder zwei von ihnen bewegten den Hebel mit sachverständiger Miene hin und her. Bald standen alle Passagiere um die verärgerten und ratlosen Bahnbeamten herum, diskutierten über den unangenehmen Zwischenfall und erteilten gute Ratschläge.
    Von seinem Beobachtungsposten aus betrachtete Carruthers amüsiert die Szene. Da öffnete sich hinter ihm die Abteiltür, und eine helle Stimme fragte auf englisch: »Pardon, Monsieur, können Sie mir vielleicht sagen, was da los ist?«
    Als Carruthers sich umdrehte, um zu antworten, verriet sein Gesicht nichts von seinem Entzücken über diesen Glücksfall.
    In ernstem Ton antwortete er: »Es scheint an den Bremsen zu liegen. Wie Sie sehen« – er zeigte auf den Menschenauflauf hinunter – »wird die Sache jetzt in Ordnung gebracht.«
    Um ihre Lippen spielte ein leichtes Lächeln. Sie war schöner denn je.
    »Darf ich fragen, Madame«, setzte Carruthers das Gespräch fort, »woran Sie gemerkt haben, daß ich Engländer bin?«
    Ihr Lächeln wurde zauberhaft.
    »In England wäre jedermann in seinem Abteil sitzen geblieben, bis die Sache wieder in Ordnung gebracht worden wäre. Es wäre keinem in den Sinn gekommen, auszusteigen. Wir auf dem Kontinent reagieren da anders.«
    Carruthers lachte.
    »Madame sind eine gute Psychologin«, sagte er mit einer leichten Verbeugung.
    Sie antwortete nicht, sondern schaute nervös auf die gestikulierenden Leute neben den Schienen hinunter.
    »Sagen Sie, Monsieur, glauben Sie, daß wir noch lange aufgehalten werden?«
    »Das ist kaum zu befürchten, Madame«, versicherte er. »Die Bremse scheint wieder in Ordnung zu sein. Es geht jetzt bloß um die Ehre des Lokomotivführers.«
    Sie schien erleichtert und antwortete auf seinen Ton eingehend: »Das ist vielleicht eine Sache, die nicht so schnell wieder in Ordnung gebracht werden kann.«
    Noch während sie sprach, pfiff die Lokomotive, es ertönten Rufe »En voiture« , und die Passagiere beeilten sich, einzusteigen.
    Carruthers überlegte verzweifelt, wie er das Gespräch fortsetzen könnte. Der Zug war schon angefahren, und sie machte Anstalten, ins Abteil zurückzukehren.
    »Fahren Sie auch nach Bukarest, Madame?«
    Sie war nicht sehr mitteilsam. Nach Bukarest, ja; aber sie bleibe nicht dort. Weitere Auskünfte gab sie keine. Carruthers beschloß, es mit einer anderen Taktik zu versuchen.
    »Auch ich fahre weiter als Bukarest. Ich fahre nach Zovgorod.«
    Er spürte sofort, wie sich ihre Einstellung ihm gegenüber änderte. Leise sagte sie: »Ach ja, Monsieur?«
    »Kennen Sie Zovgorod?« fragte er so naiv wie möglich.
    »Ich bin schon dort gewesen.« Sie machte eine Pause. Dann drehte sie sich schnell um und sah ihm direkt in die Augen.

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