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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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hochklettern wollte. Er hat sich den Hals gebrochen.« Er unterbrach sich, dann fügte er hinzu: »Der Professor ist ein großer Kämpfer.«
    »Was geschah mit dem armen Kerl im Stuhl?«
    »Ich glaube, er ist tot. Er hatte wahrscheinlich kein sehr gesundes Herz. Aber diese Behandlung hätte auch einen Stärkeren umbringen können.«
    Wir fanden Carruthers im kleinen Laboratorium, von Papieren umgeben. Er war eben dabei, in einem kleinen Schreibtisch, der in einer Ecke stand, gründlich eine Schublade nach der andern zu durchsuchen. Als er uns kommen hörte, erhob er sich aus seiner gebückten Stellung.
    »Es hat keinen Sinn«, sagte er kurz. »Ich kann nichts finden. Ich habe seine Wohnräume und jeden nur möglichen Ort durchsucht. Wir werden zu unserem ursprünglichen Plan zurückkehren müssen.« Er wandte sich zu Beker: »Sind die Männer dort?«
    Beker nickte.
    »Hören Sie«, brach es aus mir heraus, »es tut mir verdammt leid, daß das passiert ist. Ich fürchte, ich bin nicht der richtige Mann für so einen Job.«
    Er grinste in mein verlegenes Gesicht und fing dann an zu lachen. »Sie sind mir nur ein paar Sekunden zuvorgekommen. Ich wollte eben selbst losfeuern. Sie haben die Burschen aufgeschreckt.«
    »Wenn Beker nicht gewesen wäre, hätten sie mich aber erwischt.«
    Bekers bärbeißiges Gesicht entspannte sich zu einem Lächeln.
    »Es ist ja noch einmal gut gegangen«, meinte Carruthers. »Wie geht’s Ihrem Handgelenk?«
    Ich zeigte es ihm, und er prüfte meinen Verband mit sachverständigem Blick.
    »Nicht weiter schlimm«, war seine Diagnose. »Muß aber unbedingt verbunden werden. Was wir brauchen ist ein Verband.«
    Er setzte seine Suche fort. Beker ging hinaus. Ich öffnete eine Tür und befand mich in einem Schlafzimmer, neben dem ein kleines Badezimmer lag. Ich fand eine dicke Rolle Verbandsmaterial in einem kleinen emaillierten Eisenkästchen, das an der Wand befestigt war, und ich ging damit zurück ins Labor. Carruthers kauerte vor einem Haufen Notizen und Berechnungen, die er aufgestöbert hatte, und war dabei, die Papiere anzuzünden.
    »Haben Sie etwas gefunden?« fragte er, als ich zu ihm trat.
    Ich bejahte.
    »Fein. Ich werde Ihnen gleich einen Verband anlegen.« Er nickte zu dem Papierhaufen hin. »Das, was wir suchen, ist nicht darunter, aber ich will nichts riskieren. Vielleicht ist doch noch etwas darunter, das dem richtigen Mann die Information gibt, die er noch braucht.« Er machte eine Pause. »Wissen Sie, eigentlich komme ich mir vor wie ein Verbrecher, wenn ich diese geniale Arbeit zerstöre.« Er zertrat die verkohlten Überreste sorgfältig.
    »Und was wollen Sie jetzt tun?« fragte ich.
    »Erinnern Sie sich noch an die Hitzköpfe, von denen Sie mir sagten, sie wollten den Damm sprengen?«
    »Ja. Was ist mit ihnen?«
    »Nun, ich gebe ihnen Gelegenheit, etwas in die Luft zu sprengen. Sechs Vollblutnihilisten mit zirka einem Zentner Nitroglyzerin und dem dazugehörigen Zündmechanismus sind da hundert Meter weiter oben im Tal versteckt und können es nicht mehr erwarten, bis alles hochgeht. Eigentlich hatte ich das Vergnügen für morgen geplant. Aber sobald ich wußte, daß Groom zu allem entschlossen ist, beschloß ich, nicht länger zu warten. Die Gruppe hat drei Tage in einem Dörfchen hinter dem Berg gewartet. Beker telefonierte ihnen, bevor wir wegfuhren, und jetzt sind sie auf ihrem Posten.«
    »Soll das heißen, daß Sie die ganzen Anlagen hier in die Luft sprengen lassen wollen?«
    Er nickte feierlich. »Ja. Ich will kein Risiko eingehen. Das Geheimnis von Kassen darf auf gar keinen Fall erhalten bleiben. Vielleicht ist ja Kassens Kopie anderswo, aber dieser Ort hier muß auf jeden Fall zerstört werden.«
    Mir schien, als hörte ich draußen Schritte knirschen und Stimmen flüstern.
    »Machen wir, daß wir hier rauskommen.«
    »So eilt es nun auch wieder nicht. Wenn es irgendwie geht, warte ich mit der Sprengung bis morgen. Ich möchte auf keinen Fall Tumachins Putsch gefährden, indem ich die andern warne, bevor es losgeht.«
    »Und wie ist es mit Kassen? Die Gräfin hat ihre Kopie ja auch noch.«
    »Keiner von beiden kommt damit außer Landes. Dafür wird Tumachin sorgen.«
    Er begann mein Handgelenk zu verbinden, und ich konzentrierte mich eine Zeitlang auf den Schmerz. Aber ich konnte nicht umhin mir einzugestehen, daß, was immer Carruthers auch planen mochte, uns das Geheimnis Kassens noch genau so unbekannt war wie am Tag, als wir noch Zovgorod gekommen waren.

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