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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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Halbkreis. Ich erkannte Groom und Nikolai, der seinen Arm immer noch in der Schlinge trug. Aber der Mann in der Mitte zog den Blick auf sich. Er war auf einen Stuhl festgebunden, und nach seiner braunen Kattunkleidung zu schließen, schien er ein Mechaniker zu sein. Sein Kopf war auf seine Brust gesunken, und er schien bewußtlos. Das war sicher der Mann, der geschrien hatte. Dann sah ich auch, warum. Einer der Männer ging drohend auf ihn zu und hatte etwas in der Hand, das wie ein kurzer Stock aussah. Als er ihn spielerisch durch die Luft sausen ließ, wußte ich, was es war. Ein Gummiknüppel, ein Totschläger, wie er im Nazideutschland gebraucht wurde, ein wirksames Überredungsmittel in manchen Folterverhören. Der Mann tat so, als ließe er den Gummiknüppel auf das Knie des Mechanikers niedersausen. Dieser warf den Kopf zurück und stieß einen Angstschrei aus. Ich verstand warum. Ein Schlag auf die Kniescheibe tut immer fürchterlich weh. Wird der Schlag jedoch mit einem Gummiknüppel ausgeführt, ist der Schmerz unerträglich. Dazu kommt, daß die Kniescheibe nicht wie andere Körperteile gefühllos wird, so daß wiederholte Schläge den Schmerz ins Unerträgliche steigern. Dieser Schmerz, sagte mir ein New Yorker Polizeibeamter, demoralisiert das Opfer ärger als die raffiniertesten Torturen der Folter.
    Der Mann mit dem Knüppel tat noch zweimal so, als schlüge er zu, aber der Mann im Stuhl war ohnmächtig geworden und reagierte nicht mehr. Ein Hagel von Faustschlägen prasselte nun auf das Gesicht des Mechanikers nieder, um ihn aus seiner Ohnmacht zu wecken. Schließlich hob er den Kopf in einem jammervollen Versuch, den Schlägen auszuweichen. Dann trat Nikolai zu ihm hin und redete mit ihm auf ixanisch. Dabei zeigte er drohend auf den Mann mit dem Totschläger. Groom stand während dem Verhör daneben und rauchte gelassen seine Zigarre. Der Mechaniker konnte oder wollte nichts sagen, und Nikolai schlug ihn mit seiner unverletzten Hand ins Gesicht und bedeutete dann dem Mann mit dem Gummiknüppel, weiterzumachen. Dieser trat einen Schritt vor, starrte auf den Mechaniker und hob langsam den Arm. Der Mann im Stuhl zuckte zusammen und schrie mit heiserer Stimme. Ich hörte Beker neben mir scharf den Atem einziehen. Da faßte meine Hand nach dem Revolver in der Tasche. Ich dachte nicht daran, daß das, was ich tun wollte, gegen Carruthers’ ausdrücklichen Befehl verstieß. Ich wußte bloß, daß ich nicht hier stehen und den Schrei des Mannes im Stuhl nochmals mitanhören konnte. Mit einer Armbewegung stieß ich die Tür auf und stürmte ins Laboratorium.
    Ich habe mich nachher oft gefragt, was von dem schönen Feuerwerk, das meiner höchst dramatischen und absurden Aktion folgte, blinder Wut zuzuschreiben war und was dem Umstand, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben mit einer automatischen Waffe schoß. Wahrscheinlich war es beides. In meiner Aufregung muß ich wohl zu heftig am Abzug gedrückt haben, denn ich kündigte meinen Auftritt mit einer Salve an. Die ersten zwei Schüsse fuhren in die Wand gegenüber, der dritte und der vierte ließen Beton vom Boden aufspritzen.
    Im nächsten Moment spürte ich einen Schlag an meinem Handgelenk, und mein Revolver schlitterte über den Boden. Ich sah, wie der Mann, der auf mich geschossen hatte, erneut auf mich zielte, während die andern auf mich zusprangen, und dann hörte ich direkt hinter mir einen ohrenbetäubenden Knall, und der Schütze fiel vor mir aufs Gesicht. Wenn Beker nicht beschlossen hätte, meine zwecklose Tat zu unterstützen, wäre ich in der nächsten Sekunde ein toter Mann gewesen. Bevor er jedoch ein zweites Mall schießen konnte, mischte sich ein anderer Spieler ins Spiel. Von der Tür der gegenüberliegenden Seite des Labors ertönte das dumpfe Geräusch eines Revolvers mit Schalldämpfer. Glas splitterte, und dann ging das Licht aus.
    Ich spürte, wie Beker mich am Arm fortzog. Klar denken konnte ich erst wieder, als mein Fuß gegen einen Stein stieß, als wir Deckung suchten. »Vite!« sagte Beker atemlos, während wir weiterstolperten. Hinter uns ertönten Rufe. »Und der Professor?« keuchte ich, als wir den Weg erreicht hatten.
    »Der Professor kann sehr gut auf sich selber aufpassen«, erwiderte Beker.
    Plötzlich hörten wir den dumpfen Ton von Carruthers’ automatischer Waffe, dann einen Schmerzensschrei, hierauf vereinzelte Schüsse. Darauf eine Feuerpause. Wir blieben stehen und lauschten. Dann ertönte nochmals ein Schrei

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