Der dunkle Grenzbezirk
Besitzer des Gummiknüppels. Es war der Mann, der mit Groom entkommen war.
»Durchsucht ihn!« befahl Kassen.
Das erste, was zum Vorschein kam, war der Gummiknüppel. Kassen wiegte ihn einige Sekunden nachdenklich in seiner Hand und wandte sich dann zu Carruthers.
»Eine ausgezeichnete Waffe, Professor. Es wird Sie schmerzlich berühren zu erfahren, daß ich einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit habe. Wäre der arme Vasa noch am Leben, so würde ich wahrscheinlich ihn zum Instrument erwählen.« Er zuckte die Achseln. »Wie die Dinge liegen, wird sich Oberst Marassin bestimmt das Vergnügen machen, mir behilflich zu sein.«
Er wandte sich zu Marassin, der vortrat. Sein Kinnmuskel zuckte immer noch, und in seinen Augen war ein seltsames Glühen. Er gab seinen Revolver dem rotäugigen Offizier und nahm den Knüppel aus Kastens Hand entgegen.
»Man muß sie fesseln«, sagte er.
Da saßen wir nun wirklich in der Klemme. Wenn wir sagten, daß wir den Mann mit dem Gummiknüppel überhaupt nicht kannten, würden sie nach Beker suchen. Hielten wir jedoch den Mund, dann hatten wir unangenehme Augenblicke vor uns. Es war besser zu schweigen. Denn umbringen würden sie uns auf jeden Fall, solange aber Beker frei war, hatten wir noch eine geringe Chance.
Sie packten uns, setzten uns auf Stühle und banden uns fest. Das Seil an meinem verletzten Handgelenk tat höllisch weh, aber ich brachte es fertig, nicht zu schreien. Es hatte keinen Sinn, die Tortur auch noch herauszufordern. Der Knüppelexperte, der zu ahnen schien, was ihm bevorstand, heulte ohne Unterlaß und bat um Gnade, wurde aber wie wir festgebunden. Marassin schwang drohend den Knüppel.
»Der Besitzer des Knüppels als erster«, sagte Kassen.
Marassin trat auf den heulenden Kerl im Stuhl neben mir zu, hob den Knüppel und ließ ihn mit voller Wucht auf die Schulter des Mannes niedersausen. Ich hörte, wie sein Schlüsselbein brach, und er schrie auf. Nach ein paar Sekunden hob Marassin den Knüppel wieder. Kassen hob die Hand.
»Bitte, Oberst«, sagte er entschuldigend auf französisch, »ich bin nicht so abgebrüht wie ihr Soldaten. Zudem ist mir eben ein besserer Einfall gekommen, wie wir diese Herren hier loswerden können. Ich nehme doch an, daß wir sie loswerden wollen, nicht wahr? Das ist doch sicher auch der Wunsch der Gräfin?«
Marassin antwortete mit seiner hohen monotonen Stimme.
Kassen nickte verstehend mit dem Kopf. »Wir werden keinen Fehler begehen, Oberst.« Er sagte ein paar Worte auf ixanisch, und dann wurden wir hinter dem Mann mit der Taschenlampe ins Hochspannungslaboratorium getragen.
Von innen sah es noch viel bizarrer aus als von außen. Kassen ging direkt zum Schaltbrett, und ein Dutzend Widerstandslampen leuchteten auf. Vasa, der tote Assistent, war vom Stuhl losgebunden worden, offensichtlich von Carruthers und Beker, und lag am Boden. Der Hosenstoff war über den Knien abgeschnitten worden, und ich sah eine rote breiige Masse.
Wir wurden unter Kassens aufmerksamen Augen an eine leere Wand gesetzt. Kassen ging dann ans andere Ende des Laboratoriums und setzte ein großes Rad in Bewegung. Ich hörte Carruthers etwas rufen, und als ich aufschaute, sah ich, daß die beiden Kupferkugeln, die an der Decke hingen, sich langsam senkten. Außer dem Kreischen des Mechanismus, der die Kugeln bewegte, war kein Laut zu hören. Als die Kugeln etwa einen Meter über dem Boden stoppten, trat Kassen auf uns zu.
»Eine vertraute Umgebung, nicht wahr, Professor?« sagte er leise. »Natürlich nicht so imposant wie die, in der Sie gearbeitet haben. Aber die besten Köpfe der Wissenschaft sind schon immer auch mit dürftigen Einrichtungen zum Ziel gekommen. Ich brauche kein Millionen-Dollar-Labor, um meine Leistungen zu vollbringen.«
»Schön haben Sie das ausgedrückt«, bemerkte Carruthers ruhig.
Kassen lächelte. »Es freut mich, daß Sie die Sache so stoisch hinnehmen, Professor. Ich finde es eigentlich bedauerlich, daß uns keine Zeit bleibt, meine letzte Erfindung zu diskutieren. Ich habe es nämlich geschafft, eine Veränderung der Aggregatzustände in der Atomstruktur gewisser Substanzen zu erreichen. Polymerisation, Sie wissen sicher, was ich meine. Ich würde Ihnen gerne im Detail erzählen, wie es mir gelungen ist, bei einem Teil der Atome in diesen Substanzen etwas zu bewirken, das ich in Ermangelung eines besseren Wortes als kolloidale Suspension bezeichnen möchte. Aber ich muß auf dieses Vergnügen verzichten. Ein
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