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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Ambler
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zitterte vor Wut. In diesem Moment sah ich, wie sie wirklich war – eine Fanatikerin, die ganz offensichtlich nicht ganz normal war. Mit großer Anstrengung gelang es ihr, sich zu beherrschen, und sie wandte sich an Kassen.
    »Hat irgend etwas gefehlt?«
    Er schien eingeschüchtert. »Nein, Verehrteste«, murmelte er dann. »Bloß ein paar Aufzeichnungen, die sie verbrannt haben.«
    »Dann können Sie die Hinrichtung vollziehen.«
    Sie wandte sich ab, um zu gehen. Kassen trat zum Schaltbrett. Marassin stand stramm und salutierte, entweder zu Ehren ihres Weggehens oder aus Hochachtung vor unserm bevorstehenden Ableben, als plötzlich die Labortür zu unserer Rechten von außen aufgestoßen wurde und eine Geschoßsalve ertönte. Ich sah Kassen und drei andere Männer, darunter den rotäugigen Offizier zu Boden gehen.
    Marassin stieß die Gräfin durch die Tür hinter sich und schoß zurück. Eine zweite Salve ertönte, und die beiden anderen Männer, die wild auf ein unsichtbares Ziel geschossen hatten, fielen vornüber. Marassin indes blieb unverletzt und verschwand. Dann stürmte Beker herein und mit ihm fünf knochige, verwegen aussehende Bauern, die mit Gewehren bewaffnet waren. Drei davon rannten hinter Marassin und der Gräfin her. Die beiden andern bewachten die Tür.
    Beker schnitt uns los. Mir muß wohl etwas schwindlig gewesen sein, denn ich erinnere mich, daß ich ziemlich hysterisch wurde, weil aus einem Kugelloch in einem der Hochspannungskondensatoren Öl tropfte und über den Boden lief. Es beachtete mich aber niemand. Carruthers beugte sich über Kassen. Dieser war offensichtlich tot, wie auch der Mann im Stuhl, der von einem Abpraller in die Stirn getroffen worden war.
    Bekers drei Begleiter kamen zurück und berichteten enttäuscht, daß Marassin und die Gräfin im Wagen entkommen seien. Dann begannen sie, die Toten zu durchsuchen.
    Carruthers wandte sich an Beker.
    »Haben Sie ein Streichholz?«
    Beker zog eine Streichholzschachtel aus der Tasche.
    »Zünden Sie eins an, Beker.«
    Beker tat wie geheißen und hielt es hoch.
    Feierlich zog Carruthers ein Bündel Papiere aus seiner Tasche und hielt es in die Flammen. Er hielt die Papiere an einer Ecke, bis sie verbrannt waren, und zertrat dann die Asche.
    »Jetzt müssen Sie noch Ihre Arbeit tun«, sagte er zu Beker. Dieser nickte.
    Wenig später gingen Carruthers und ich den Abhang hinunter auf Grooms fahruntüchtigen Wagen zu. Der gefesselte und geknebelte Fahrer war offensichtlich von Groom losgebunden worden, denn wir sahen ihn nirgends. Carruthers steckte den fehlenden Teil wieder in den Motor, der sofort ansprang, und wir stiegen ein.
    »Wir wollen noch ein bißchen warten«, bemerkte Carruthers. Schweigend warteten wir.
    Es hatte aufgehört zu regnen, und der Himmel war klar. Die Luft roch frisch und angenehm. Ich war sehr müde, und nur der Schmerz in meinem Handgelenk erinnerte mich daran, daß ich nicht soeben aus einem Alptraum aufgewacht war. Unwillkürlich registrierte ich die Zeit auf dem Leuchtzifferblatt von Carruthers Armbanduhr. Er war Viertel vor eins. In fünfzehn Minuten würde die ixanische Revolution beginnen. Für die kühlen Sterne, unter denen wir saßen, schien sie nur ein unbedeutender Gegenstand des Spotts.
    Plötzlich hörten wir ein Gepolter, und das Krachen einer gewaltigen Explosion erschütterte den Wagen. Ein greller Glanz erschien über dem Laboratorium am Himmel.
    Carruthers startete, fuhr rückwärts in den Steinbruch und raste dann vorwärts, hinunter zur Talstraße.
    »Kassen, sein Laboratorium und eine Kopie seiner Erfindung«, murmelte er. »Und jetzt auf zur zweiten Kopie!«

15. Kapitel
    22. Mai
     
    Als wir durch die Außenbezirke Zovgorods fuhren bemerkten wir die ersten Anzeichen der beginnenden Revolution.
    Die Straße war durch eine Barrikade gesperrt. Besetzt war sie von zirka einem Dutzend bewaffneten, grimmig aussehenden, grauhaarigen Bauern. Zwei davon sprangen aufs Trittbrett, als wir langsamer fuhren. Carruthers zog eine kleine Karte aus der Tasche und zeigte sie vor. Aufgeregte Schreie und Hochrufe waren die Antwort. Die Straßensperre wurde geöffnet und wir fuhren weiter.
    In der Stadt selber war Ruhe, aber als wir ins Zentrum kamen, fielen mir an den Straßenecken Gruppen von Männern auf. Hinter einer solchen Gruppe sah ich ein Maschinengewehr.
    »Bewaffnete Außenposten«, erklärte Carruthers. »Sie werden die Polizei in Schach halten, falls diese Schwierigkeiten machen sollte.«
    Wir

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