Der dunkle Herzog
davon hatte hören wollen.
Sie war eine Hexe, eine Hure, und Camerons Schmach
, hatte der Duke gesagt.
Für sie genügt der Friedhof, aber es sollte mich überraschen, wenn der Vikar es zulässt, dass sie dort bestattet wird.
Harts Frau Sarah hatte hier ihr Grab, ebenso sein Sohn Graham.
Der Marmor von Sarahs Sarg war schwarz und grau und fühlte sich kalt an. Die Tafel am Sarg war voll von blumigen Phrasen, von denen Hart sich nicht erinnern konnte, sie gewollt zu haben.
Die kleinere Tafel neben der Sarahs trug die Inschrift
Lord Hart Graham MacKenzie, geliebter Sohn, 7. Juni 1876
.
Hart fuhr mit den Fingerspitzen den Namenszug seines Sohnes nach. Graham wäre in diesem Jahr acht geworden.
»Es tut mir leid«, flüsterte er. »Es tut mir unendlich leid.«
Stille und Dunkelheit erfüllten diesen Ort. Aber Hart empfand Trost durch den kühlen Marmor, durch die Anwesenheit des Jungen, den er auf dem Arm gehalten hatte – nur ein einziges Mal.
Wenn Hart in seinem Leben alles richtig gemacht hätte, hätten er und Eleanor schon vor langer Zeit geheiratet, und in Kilmorgan würde es von Kindern nur so wimmeln. Die Leichen Sarahs und Grahams wären nicht an diesem kalten Ort, mit nichts als in Marmor gemeißelte Buchstaben, um sie zu ehren.
Aber Hart hatte alles falsch gemacht. Dieses Mal, wenigstens dieses Mal hatte er Eleanor zum Altar geführt. Und dann hatte sie ihn zur Seite gestoßen, damit der Schuss ihn nicht traf. Sie hatte versucht, ihn zu retten.
Diese letzten drei Tage, während Eleanor im Fieber gelegen hatte, waren die absolute Hölle gewesen. Heute Abend hatte der Arzt erklärt, das Fieber sei gesunken, und Eleanor schlafe ruhig. In seiner Erleichterung hatte Hart nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte die gutgemeinten Ratschläge seiner Brüder, es mit einem ordentlichen Schluck Whisky zu versuchen, ignoriert und sich hierher zurückgezogen.
Um sich zu vergewissern, dass Eleanor nicht doch hier draußen war, kalt und allein? Er wusste es nicht.
Alles, was er wusste, war, dass er ein Chaos aus seinem Leben gemacht hatte und es noch immer tat. Hart, der arrogante, selbstsichere MacKenzie, konnte nichts richtig machen, und diese Särge waren der greifbare Beweis.
Er hatte seine Werbung um Eleanor und die Verlobung mit ihr immer als einen Schwank in drei Akten gesehen.
Erster Akt, Vorhang auf: Ihr erster gemeinsamer Tanz, dem ein Kuss im Garten folgen wird, weckt tiefes Verlangen in ihm. Dann das Bootshaus unten am Fluss in Kilmorgan. Er öffnet die Knöpfe an Eleanors züchtig geschlossenem Kleid und küsst ihr entblößtes Dekolleté. Er stellt überrascht fest, dass Eleanor eine Leidenschaft in sich trägt, die sie nicht versteckt, zumindest nicht vor ihm.
Zweiter Akt, Vorhang auf: Das Sommerhaus. Hart reitet neben Eleanor, die ein formelles Reitkostüm trägt und wie immer lächelt und plaudert. Sie kommen zum Sommerhaus, ein nutzloser Prunkbau, eine Marotte des alten Dukes, das auf einem Hügel auf einer Landzunge steht, der steil zum Fluss abfällt. Von hier oben blickt man weit über das Land der MacKenzies bis hin zum Meer.
Als Hart Eleanor in das Haus führt, ist ihre Reaktion typisch für sie.
»Hart, es ist wunderschön.« Das Sommerhaus ist einem antiken griechischen Tempel mit seinen überwucherten Mauerruinen nachempfunden und ist eine sehr unschottische Konstruktion. Aber der Ausblick ist atemberaubend, und das Sommerhaus liegt sehr abgeschieden.
Eleanor dreht sich mit ausgestreckten Armen um sich selbst. »Mein Vater wäre hingerissen. So falsch und gleichzeitig doch so wirklich.«
Hart geht zur steinernen Balustrade und genießt den weiten Blick, der sich ihm bietet und der sein Herz immer wieder von Neuem anrührt. Die MacKenzies haben nach Culloden den Weg aus der Armut und der Ohnmacht geschafft und sind zur reichsten Familie Schottlands geworden. Und dieses gewaltige Panorama macht das jedem Engländer, der hier heraufkommt, unmissverständlich klar.
»Du bist stolz darauf, nicht wahr?«, sagt Eleanor und stellt sich neben ihn. »Trotz deiner spöttischen Worte, dass dies eine lächerliche englische Affektiertheit ist, die dein Vater gebaut hat, gefällt es dir. Sonst hättest du mich nicht hergebracht.«
»Ich habe dich wegen der Aussicht hergebracht.« Hart nimmt Eleanor den Hut ab und wirft ihn in den Wind. »Und dafür.«
Er legt von hinten die Arme um ihre Taille. Eleanor schließt die Augen, als er sie auf den Nacken küsst und seidenweiche rote Löckchen
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