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Der dunkle Herzog

Der dunkle Herzog

Titel: Der dunkle Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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sein Lebensretter darauf aus war, ihn abzustechen. Die Männer, die den Fluss abfuhren und Londons unterirdische Kanäle nach Schätzen absuchten, gehorchten ihren eigenen Gesetzen. Sie standen fest gegen jeden zusammen, der versuchte, sich zwischen sie und ihren Broterwerb zu stellen. Hart musste abwarten, beobachten, planen.
    Ein Blick in das unbewegte Gesicht des Mannes, als er in der Kabine verschwand, sagte Hart, dass sein Retter nicht wusste, wer er war – ein reicher Mann, das war alles. Hart würde dafür sorgen müssen, dass er es nicht herausfand.
    Hart beobachtete das Kind eine Weile, dann streckte er die Hand aus und hob einen Teil des Netzes hoch. Er zog eine Kupfermünze aus den engen Maschen und warf sie auf den wachsenden Fundgutstapel des Jungen. »Den hast du übersehen.«
    Der Junge fing den Penny auf, betrachtete ihn, nickte und ließ ihn fallen. Er hatte Münzen gesammelt, Glieder von Ketten, eine Zinnbüchse, eine Kette aus Muscheln und einen Zinnsoldaten. Hart griff nach dem Soldaten.
    »Einer von einem Highlander-Regiment«, sagte er und warf ihn wieder auf den Stapel zurück. Er fuhr damit fort, das Netz abzusuchen, und der Junge erhob keine Einwände.
    »Sie sind Schotte?«, fragte der Junge.
    »Offensichtlich, Junge.« Hart ließ seinen Akzent hören. »Wer sonst würde sich in einem Tartan in den Abwässerkanälen verlaufen?«
    »Dad sagt, man solle nicht hier herunterkommen, wenn man keine Ahnung hat, was auf den Straßen von London los ist.«
    »Ich stimme ihm zu.«
    Als der Vater mit einem Becher Kaffee zurückkam, ein Taschentuch darüber gebreitet, um den Regen abzuhalten, hatte Hart dem Stapel des Jungen eine weitere Muschel, einen Halfpenny und einen zerbrochenen Ohrring hinzugefügt.
    Die Frau kam mit ihrem Mann an Deck. Sie war von stämmiger Statur, trug eine dicke Jacke und eine Fischermütze. Ihr Haar war tiefschwarz. Sie brachte eine Schüssel Wasser und ein Tuch, setzte sich und begann, Harts Kopf abzutupfen.
    Es tat weh, aber sein Schädel hämmerte jetzt weniger, als vorher in den Kanälen. Hart biss die Zähne aufeinander und stand die Behandlung durch.
    »Nun denn«, sagte der Mann. »Wer sind Sie?«
    Hart hatte sich zurechtgelegt, was er ihnen sagen würde – genau genommen nichts. Zumindest im Moment.
    Er zuckte übertrieben heftig zusammen, als die Frau die Verletzung an seiner Schädelbasis gründlich untersuchte. »Das ist das Problem«, sagte er wohlbedacht. »Ich erinnere mich nicht.«
    Die Augen des Mannes wurden schmal. »Sie erinnern sich an nichts?«
    Hart zuckte die Schultern. »Da ist nichts. Vielleicht wurde ich ausgeraubt, auf den Kopf geschlagen und einen Schacht hinuntergestoßen. Sie haben gesagt, ich hätte kein Geld bei mir gehabt.«
    »Das stimmt.«
    »Dann hat es sich wahrscheinlich so abgespielt.« Harts Blick fixierte den Mann, sagte ihm ohne Worte, dass es zu seinem Besten wäre, diese Geschichte auf sich beruhen zu lassen.
    Der Mann hielt dem Blick lange stand, die Hand am Heft seines Messers. Endlich nickte er. »Aye«, sagte er. »Genau so hat es sich abgespielt.«
    Die Frau hörte mit dem Betupfen auf. »Aber wenn er sich nicht erinnert, wer er ist, wie will er uns dann bezahlen?«
    »Er wird sich erinnern, früher oder später.« Der Mann holte eine Tabakspfeife aus seinem Mantel und steckte sie sich in den Mund, wobei etliche Zahnlücken sichtbar wurden. »Und je länger es dauert, umso mehr wird er bezahlen.«
    »Aber wir haben keinen Platz für ihn«, wandte die Frau besorgt ein.
    »Das wird schon gehen.« Der Mann nahm die Pfeife aus dem Mund und wies mit dem Stiel auf Hart. »Sie können bleiben, aber Sie verdienen sich Ihr Brot. Mir ist’s egal, ob Sie ein Lord sind. Oder ein Laird, wie die Schotten wohl dazu sagen.«
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte Hart. »Ein Lord hat seinen Titel vom König verliehen bekommen. Ein Laird ist ein Landbesitzer. Jemand, der sich um seine Leute kümmert.«
    »Tatsache?« Der Mann zog einen Tabaksbeutel hervor und stellte sich unter die Traufe der Kabine, um seine Pfeife zu stopfen, ohne dass Regen auf den Tabak tropfte. »Wieso können Sie sich daran erinnern, aber nicht an Ihren Namen?«
    Hart zuckte wieder die Schultern. »Es ist mir so eingefallen. Vielleicht wird es mit meinem Namen ja genauso sein.«
    Der Mann stopfte langsam seine Pfeife, dann steckte er sie sich in den Mund. Er kramte eine Schachtel Streichhölzer aus der Manteltasche, nahm eines heraus, entzündete es an der Kabinenwand und

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