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Der dunkle Herzog

Der dunkle Herzog

Titel: Der dunkle Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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hier hereingekrochen wäre, um Hart dafür zu schelten, ihren Plaid schmutzig gemacht zu haben, hätte Hart sie küssen mögen.
    Vorsichtig erhob er sich von der Pritsche und kroch auf die rechteckige Öffnung am breiteren Ende des Gelasses zu, durch die Licht hereinfiel. Er sah hinaus in den Regen, auf das Deck eines kleinen, schaukelnden Bootes und die Themse.
    Das Licht war grau, und Nebel lag wie ein Schleier auf einem Fenster. Durch diesen Schleier erkannte er die Kuppel der St. Paul’s Cathedral, die Häuser zu ihrer Rechten, die zur City gehörten, und zu ihrer Linken den Strand und die
Temples
. Sie dümpelten mitten auf dem Fluss, dessen Südufer im Dunst lag.
    Eleanor war irgendwo dort draußen in dieser Stadt. In Sicherheit zu Hause am Grosvenor Square? Oder war sie verletzt oder tot? Er musste es wissen. Er musste von hier weg. Er musste sie finden.
    Ein Kind saß am Seitendeck des Bootes und zupfte an einem Netz herum. Nicht um es zu flicken, wie Hart einen Augenblick später erkannte, sondern um Gegenstände daraus zu entfernen. Der Junge betrachtete, was er gefunden hatte, und warf es entweder hinter sich ins Boot oder zurück in den Fluss.
    Hart bewegte sich und hielt dann inne. In seinem Kopf tobte noch immer ein wütender Schmerz, und er konnte sein Stöhnen nicht unterdrücken.
    Der Junge sah ihn, ließ das Netz fallen und flitzte zum Bug des Bootes zu der Kabine, die sich dort befand. Einen kurzen Moment später kehrte er mit einem Mann zurück, der einen langen Mantel und Stiefel trug. Sein Gesicht war faltig, das Kinn bedeckte ein Zweitagebart.
    Der Mann schlug wie beiläufig seinen Mantel auf und ließ Hart ein gut dreißig Zentimeter langes Messer sehen, das in einer Scheide an seinem Gürtel steckte. Der Junge kehrte zu seinem Netz zurück, gleichgültig.
    »Wieder wach, eh?«
    Hart erinnerte sich der Stimme, die er in seinem unterirdischen Grab gehört hatte. »Sie haben mich verdammt fest getreten«, sagte er. »Bastard.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »So war’s leichter, Sie rauszubringen. Das Wasser kam zurück.«
    »Ich hatte Ihnen Geld angeboten.«
    Noch ein Schulterzucken. »Hat ja keinen Schaden angerichtet. Ich hab gesehen, dass Sie reich sind, auch wenn Sie kein Geld bei sich hatten. Meine Frau meint, dass Sie zu Hause ’ne ganze Menge davon haben.«
    Zu Hause. Ich muss nach Hause.
    »Sie glauben, ich würde Sie bezahlen, nachdem Sie mir meine Kleider abgenommen und verkauft haben?«, fragte Hart in beiläufigem Ton.
    »Die Kleider waren nur noch Fetzen. Hab vom Lumpensammler nur noch ein paar Schillinge dafür gekriegt. Das reicht für die Fahrt auf dem Boot. Dafür, dass ich Ihnen das Leben gerettet habe, verlange ich ein bisschen mehr.«
    Hart zog sich aus der Öffnung heraus. Es kostete Kraft, und er ließ sich auf eine Truhe fallen, die an der Außenwand der Kabine stand. »Sie haben erstaunlich viel Mitgefühl.« Hart rieb sich die Schläfen. »Haben Sie auch Wasser? Oder noch besser einen Kaffee?«
    »Die Frau kocht gerade welchen. Sie sollten sich von ihr auch Ihren Schädel ansehen lassen, und danach werden Sie uns sagen, wer Sie sind und wo Sie abgesetzt werden wollen.«
    Nach Hause. Nach Hause. Zu Eleanor.
Aber Vorsicht ließ ihn schweigen. Die Bombe am Eustoner Bahnhof war gezündet worden, weil jemand gewusst hatte, dass er dort sein und seine Frau abholen würde. Ian hatte gesagt, dass der Bombenleger bei der Explosion getötet worden war, aber es würde Mittäter geben. Dieses Attentat – nach Darraghs Versagen auf Kilmorgan – konnte nur bedeuten, dass es noch weitere Fenier gab, die Inspektor Fellows entkommen waren, oder dass andere politische Gegner zu dem Schluss gekommen waren, dass die Idee der Fenier gut gewesen sei. Wer auch immer dafür verantwortlich war – wenn derjenige herausfand, dass die Bombe Hart nicht getötet hatte, würden sie es wieder versuchen oder sich seine Familie als Ziel vornehmen, um Hart aus seinem Versteck zu locken. Das durfte nicht geschehen. Er würde es nicht zulassen.
    Das Ufer der Themse war verlockend nah. Hart rieb sich wieder das stoppelige Kinn, während er hinüberschaute. Seine Chancen, es schwimmend zu erreichen, besonders mit dieser Beule am Kopf, waren nicht gut. Zudem konnte er nicht sicher sein, ob die Uferbewohner, die das Wasser nach kostbarem Strandgut absuchten, ihm nicht kurzerhand ein Messer zwischen die Rippen jagten, wenn er sich am Ufer vom Schwimmen ausruhte. Allerdings war es auch denkbar, dass

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