Der dunkle Herzog
versteckten Brief in die Hände bekommen würde. Die Dienstboten rührten ihre persönlichen Dinge niemals an, und ihr Vater kam nur selten in ihr Schlafzimmer. Als sie für London gepackt hatte, hatte sie nicht an die Briefe gedacht. Sie hatte das Buch nur einfach nicht in Schottland lassen wollen.
Aber Eleanor begriff die Gefahr, die die Aufbewahrung des Briefes bedeutete. Dass Hart seinen Vater erschossen hatte, war ein Unfall gewesen, dessen war sie sicher – sie hatten um das Gewehr gerungen, und dabei hatte sich der Schuss gelöst. Was in dem Sekundenbruchteil, der zwischen dem Ergreifen des Gewehrs und dem Schuss gelegen hatte, in Harts Kopf vorgegangen war, war allein eine Sache zwischen ihm und Gott.
Was auch immer geschehen war, erst der Tod des alten Duke hatte für Ian ein Leben in Sicherheit ermöglicht. Aber sollten Harts Feinde jemals in den Besitz dieses Briefes gelangen, konnte das für Hart nur eine Katastrophe bedeuten.
Eleanor ging zum Ofen und öffnete die Klappe. »Lass es damit zu Ende sein«, sagte sie und warf den Brief in die Flammen.
Der Attentatsversuch veranlasste Hart, die Reisevorkehrungen nach Berkshire noch einmal zu überdenken. Er würde ohnehin nicht den ganzen Monat in Camerons Haus bleiben, wie er es normalerweise hielt, sondern zwischen dort und London hin und her pendeln.
Bahnhöfe waren äußerst gut besuchte Orte, und somit für fanatische Attentäter voller Gelegenheiten, auf Menschen zu schießen. Hart tat sich sehr schwer mit der Entscheidung, kam aber zu dem Schluss, dass Eleanor und ihr Vater in der Öffentlichkeit sicherer sein würden, wenn Mac sie beschützte, als wenn sie allein in einer Kutsche über einsame Landstraßen fuhren. Hart konnte dadurch zusätzlich für ihre Sicherheit sorgen, dass er nicht mit ihnen zusammen reiste.
Am Tag vor der geplanten Abreise der Familie stieg er in das oberste Stockwerk des Hauses hinauf. Man hatte ihm gesagt, dass alle zusammen mit Eleanor den Tee im Kinderzimmer einnahmen.
Als er eintrat, schaute Eleanor, die im Begriff stand, in einen sahnegefüllten Scone zu beißen, zu ihm auf. Hart blieb stehen. Die plötzliche Vision, wie er die Sahne von ihren Lippen leckte, raubte ihm für einen kurzen Moment den Atem.
Als er sich wieder gefasst hatte, nahm er wahr, dass Mac mit Eileen am Tisch saß, Isabella neben ihm und Robert in einem Babystuhl. Eleanor saß dicht gedrängt neben ihnen am Tisch, während die Nanny, Miss Westlock, das Ganze von der anderen Seite des Zimmers aus überwachte. Aimee saß mit Lord Ramsay auf einer Bank am Fenster, und der Earl zeigte ihr einige Fossilien, die er aus Schottland mitgebracht hatte.
Hart riss seinen Blick von der Sahnespur auf Eleanors Lippen los und wandte sich an Mac. »Ich breche bereits heute Vormittag nach Berkshire auf. Ich habe auf dem Weg dorthin einiges zu erledigen, deshalb werde ich die Kutsche nehmen. Ihr anderen werdet morgen Nachmittag mit dem Zug fahren.«
»Die Kutsche?«, hakte Mac nach. Er leckte sich Sahne vom Daumen und schüttelte an seine Tochter gewandt den Kopf. »Eileen, bitte schmiere deinem Bruder keine Butter ins Haar.« Er schaute wieder zu Hart. »Solltest du nicht lieber mit uns zusammen reisen?«
»Ich sagte doch, dass ich noch einiges zu erledigen habe …«
Eleanor starrte ihn an. »Hart, wir wissen Bescheid.« Sie nahm die Ausgabe eines Klatschblattes vom Stuhl neben sich und hielt sie ihm hin.
Duke of Kilmorgan kommt knapp mit dem Leben davon! Schüsse vor dem Parlament. Haben die Fenier sich ein neues Ziel gesucht?
»Wie zum Teufel kommt dieser Schmierkram in mein Haus?«, knurrte Hart. »Mac?«
Mac schaute unschuldig drein, aber Eleanors Gesicht war vor Zorn hellrot. »Du hast mich angelogen, als ich dich gefragt habe, wie du dich verletzt hast. Du hast gesagt, es sei unwichtig. Wie konntest du nur? Du wärest fast
getötet
worden.«
Hart berührte die Narbe auf seiner Wange, die langsam zu verschwinden begann. »Es ist nicht wichtig. Der Mann war ein miserabler Schütze, und ich habe nicht aufgepasst. Ich habe es euch nicht gesagt, weil ich nicht wollte, dass ihr einen Wirbel darum veranstaltet.«
»Einen Wirbel? Hart, das ist gefährlich. Das ist etwas, das du der Familie sagen musst. Und deinen Freunden.«
»Und genau der Grund dafür, dass ich keinen von euch bei mir haben will!« Harts Stimme wurde lauter, als er die Geduld verlor. »Wenn der Mann ein so schlechter Schütze ist, will ich nicht, dass meine Familie und meine Freunde
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