Der dunkle Herzog
dass er fort ist.«
Bei Harts barschem Tonfall schaute Eleanor auf, die eben die beiden Kinder mit einem Kuss begrüßt hatte. Hart hatte die behandschuhten Hände zu Fäusten geballt, sein Kinn war angespannt. Nach der Schießerei vor dem Parlamentsgebäude hatte er jedes Recht, besorgt zu sein, aber seine Reaktion schien weit darüber hinauszugehen.
»Ich wusste es nicht«, entgegnete Beth. »Ian sagt mir in der Regel Bescheid, wenn er auf eine seiner langen Wanderungen geht, aber er war schon fort, als ich heute aufgewacht bin.«
»Und du hast es nicht für nötig befunden, mich darüber zu informieren«, wiederholte Hart.
»Du warst den ganzen Vormittag in Hungerford und hast Telegramme nach London geschickt«, sagte Beth. »Und außerdem dachte ich nicht, dass es dich etwas angeht.«
Hart schwieg nach ihren Einwänden, und sein Blick wurde unheildrohend. Beth hob das Kinn und hielt seinem Blick stand.
Eleanor verstand sehr genau, warum Beth Ians Abwesenheit Hart gegenüber nicht erwähnt hatte. Hart hatte die Angewohnheit, einfach in die Häuser seiner Brüder zu marschieren und zu versuchen, deren Leben zu bestimmen. Von Zeit zu Zeit hatte Ian das Bedürfnis fortzugehen, um Harts Despotie zu entfliehen. Cameron und Mac konnten Hart anbrüllen, wenn sie sich über seine Einmischung ärgerten, doch Ians Gegenwehr bestand darin, dass er sich zurückzog. Ian musste einfach manchmal allein sein, um sich von seiner sehr vereinnahmenden Familie zu erholen, ehe er ihr wieder gegenübertrat. Eleanor wusste vom Hörensagen von der Schlacht, die Beth mit Hart ausgetragen hatte, damit er Ian sein Leben leben ließ, wie es gut für Ian war.
Beth wirkte jetzt sehr ruhig. »Ich bin seit fast drei Jahren mit Ian verheiratet, und ich weiß, was er tut. Ein Aufenthalt in London verunsichert ihn immer, das weißt du. Ich denke, er ist heute früh ausgegangen, um es zu genießen, dass er keine Menschen um sich hat. Er wird zurückkommen, wenn er bereit dazu ist.«
Hart versuchte, Beth mit seinem Blick zu durchbohren, aber Jamie wand sich, um vom Arm gelassen zu werden, und Beths ungeteilte Aufmerksamkeit galt nun ihrem Sohn. Harts Kinn spannte sich noch heftiger an, als Beth ihn so offenkundig ignorierte. Er wandte sich ab und ging mit großen Schritten auf das Haus zu. Zwei der Hunde folgten ihm.
In der Auffahrt holte Eleanor Hart ein. Sie stellte sich ihm in den Weg und zwang ihn stehenzubleiben. Ruby und Ben sprangen um sie herum.
»Ich weiß, dass du dir wegen des Schusses Sorgen machst«, begann sie. »Aber Ian ist kein Narr. In mancher Hinsicht ist er vorsichtiger als du. Ich hatte Ainsley ein Telegramm geschickt und über die Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt – für den Fall, dass du dir nicht die Mühe machst, allen Bescheid zu sagen. Ian weiß also, dass er aufpassen muss. Ich bin sicher, er ist nur fischen gegangen. Du weißt, wie sehr er das mag.«
Die schreckliche Sorge wich nicht aus Harts Augen. »Ja, das weiß ich. Er sagt, Wasser beruhige ihn.« Er schaute über die leeren Felder. »Ich werde mich jetzt auf den Weg machen und ihn suchen.«
Er wollte weitergehen, aber Eleanor hielt ihn wiederum auf. »Ich glaube, du bist derjenige, der in der größeren Gefahr schwebt, Hart. Wer auch immer es gewesen ist, er hat auf dich geschossen.«
»Ich werde mich nicht allein auf die Suche machen. Ich habe meine eigenen Männer dabei, und Cameron beschäftigt ebenfalls eine ganze Horde Leute.«
»Ian wird beunruhigt sein, wenn er auf so viele Menschen trifft«, wies Eleanor ihn hin.
»Besser beunruhigt als tot.«
Hart hatte ruhig gesprochen, aber Eleanor bemerkte tiefe Angst in seinen Augen. Sie wusste, er würde außer unter Anwendung von Folter diese Furcht niemals eingestehen, aber er empfand große Angst, und Eleanor wusste, warum.
Ian zu beschützen, war seit mehr als drei Jahrzehnten eine treibende Kraft für Hart. Zum ersten Mal war Eleanor Zeugin dieser Kraft geworden, als Hart sie in die Nervenheilanstalt mitgenommen hatte, um Ian kennenzulernen. Sie erinnerte sich, dass Hart die Ärzte zu Ians Behandlung, seinen gewohnten Abläufen und seiner Unterbringung befragt und sie dann angeherrscht hatte. Was immer Hart MacKenzie in den vergangenen dreißig Jahren seines Lebens getan hatte, Gutes oder Schlechtes, das meiste davon hatte er für Ian getan.
Eleanor berührte Harts Brust und fühlte unter ihrer Hand sein Herz heftig schlagen. »Ich stimme mit dir überein, Hart. Wenn Menschen schießen, dann
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