Der dunkle Kreuzzug
mächtiger ist, als Sie glauben – oder als wir befürchtet haben. Er könnte mit dem Feind gemeinsame Sache machen oder von ihm kontrolliert werden. Und nun ist er im Besitz der Alien-Technik und kann damit verfahren, wie er will, ohne dass ihn jemand überwacht oder kontrolliert.«
»Ich kann nicht glauben …«
»Sie können glauben, was Sie wollen, Dr. Wells«, sagte der Hüter. »Es ist eigentlich ganz egal.« Er steckte seinen Computer weg und stand auf. »Das Gespräch ist beendet.«
»Und mein Status?«
Dawson antwortete nicht, sondern wandte sich der Tür zu.
»Kann ich jetzt gehen?«
Dawson sah ihn über die Schulter an. »Das glauben Sie doch wohl selbst nicht, Dr. Wells.« Dann ging er hinaus. Die beiden Wachen sahen nur kurz zu Wells, während die Tür hinter ihm zuglitt.
Pali Tower Imperiales Oahu, Sol-System
Es kostete Tonio viel Willenskraft, sich von der imperialen Reisegruppe zu lösen, als die im Tien-Tsin-System eintraf. Bei der Ankunft im System selbst erreichten Meldungen von Verhaftungen, die durch den Orden der Hüter und mit Billigung der Imperialen Versammlung erfolgten, die Yacht des Imperators. Mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, und gleichzeitig darum bemüht, möglichst niemanden vor den Kopf zu stoßen, verabschiedete sich Tonio vom Imperator und ging an Bord eines Schiffs, das in Richtung Sol-System reiste. Pali Tower war der sicherste Ort, den er kannte, außerdem war er auf der Heimatwelt für alle Fälle in der Nähe der Imperialen Versammlung in Genf.
Er benötigte etwas mehr als vier Tage, bis er zu Hause ankam. Auf der Pluto-Basis und dann auch auf Station One begegnete er Hütern, die Halstücher und die Nadel mit dem Emblem des Flammenden Sterns trugen. Er beschloss, keinen von ihnen darauf anzusprechen. Ein Shuttleflug mit Priorität brachte ihn nach Honolulu, und ein Aircar setzte ihn am Pali Tower ab.
»Nic, aktivieren«, sagte er, kaum dass die Tür hinter ihm zugefallen war und er das Büro gesichert hatte. Nic tauchte in seinem üblichen Sessel auf, Tonio nahm ihm gegenüber Platz.
»Maestro.«
»Was zum Teufel ist hier los?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Wenn ich mich nicht irre, sehe ich auf Schritt und Tritt den Flammenden Stern. Der Innere Orden von Corazón …«
»Ich weiß, was auf Corazón geschehen ist, Commander«, unterbrach ihn Nic. »Der Innere Orden will Ihnen nicht weiter folgen. Oder um es präziser zu formulieren: Er will lieber einem anderen folgen.«
»Wieso weißt du davon?«
»Ich weiß es. Ich bin sehr gut informiert.« Nic lächelte.
» Wieso weißt du davon, was auf Corazón passiert ist?«
»Ich bin sehr gut informiert«, wiederholte Nic. »Was den Flammenden Stern angeht, gibt es eine ganz einfache Erklärung: Alle potenziell unloyalen Elemente werden festgenommen und inhaftiert. Der Flammende Stern ist dazu von Seiner Imperialen Hoheit ermächtigt worden. Ich kam zu dem Schluss, dass es besser ist, auf der Seite zu stehen, die die Verhaftungen vornimmt, als auf der anderen Seite.«
»Es muss nicht dazu kommen.«
»Aber das tut es, Maestro. Ganz gewiss sogar. Der Prophet sucht sich die heraus, die die Kriegsanstrengungen nicht unterstützen – die nicht voll hinter dem Ziel stehen, alle Vuhl auszulöschen -, um sie sich vorzunehmen.«
»Das habe ich nicht autorisiert.«
»Ich weiß«, gab die KI zurück. » Ich habe das gemacht. In Ihrem Namen.«
Einen Moment lang konnte Tonio nichts sagen. Ihm wollte einfach nichts einfallen, was er darauf erwidern sollte. Stattdessen stand er auf und ging langsam durch den Raum, vorbei an Nic bis hin zu dem Fenster an der Südseite seines Büros, von dem aus er einen großen Teil von Imperial City überschauen konnte.
»Du hast meinen Namen unter Haftbefehle gesetzt?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
»Ja, Maestro, das habe ich.«
»Ich will, dass diese Befehle widerrufen werden.«
»Nein«, widersprach Nic. »Ich glaube nicht, dass ich das machen werde.«
Antonio St. Giles drehte sich völlig perplex um. »Was hast du da gesagt?«
»Ich halte das für eine unkluge Vorgehensweise, Maestro. Diese Sache läuft längst, und es wäre verkehrt, sie jetzt noch aufhalten zu wollen. Ich werde es nicht machen.«
»Ich befehle es dir. Ich erteile dir einen direkten Befehl. Führ ihn aus, sonst …«
Nic, der sich am anderen Ende des Büros befand, tauchte auf einmal neben St. Giles auf. »Was werden Sie sonst machen?«, fragte er leise. »Mein Programm beenden?
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