Der dunkle Kreuzzug
Meine Sicherheitszugriffe unterbrechen?«
»Ja, etwas in dieser Art.«
»Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, Commander, dass diese Maßnahmen sich Ihrer Kontrolle entziehen.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass sie deaktiviert wurden. Und zwar alle.«
»Sopresatta«, sagte St. Giles. »Melnibone. Islay. Dodecahedron.« Jedes Wort wurde von einer Geste begleitet – eines der Schutzzeichen, die von den Mitgliedern des Inneren Ordens verwendet wurden.
Nic verharrte reglos an seinem Platz und lächelte flüchtig. Er wusste, was die Passwörter bewirken und welchen Teil des Codes sie eigentlich ansprechen sollten. Stone hatte sie ihm alle in jener denkwürdigen Nacht gezeigt, als er ihm Empfindungsfähigkeit verlieh.
St. Giles wirkte erschüttert. »Pantagruel«, sagte er. »Terpsichore. Economou. Brazzaville.« Wieder machte er zu jedem Wort eine Geste.
Nic verschwand nicht, und er änderte auch nicht seine Position. Sein Programm wechselte nicht mal in den Standby-Modus.
»In meinem schönen Florenz hätten Sie es nie zu etwas gebracht«, sagte Nic schließlich. »Sie haben so lange in diesem Büro
hier im Turm gesessen, dass Sie anfingen, an Ihre eigene Propaganda zu glauben.«
»Was soll denn das schon wieder heißen«?
»Es heißt«, antwortete Nic und ging durch den Raum, dann setzte er sich an Tonios Schreibtisch – an dessen Seite! -, »dass Sie mit dem Inneren Orden Ihre kleinen Spiele gespielt haben und daran glaubten, jenseits des Risses unterstehe alles Ihrer Autorität. In Wahrheit waren die Ereignisse längst ganz und gar Ihrer Kontrolle entglitten. Nicht einmal Admiral Anderson hat noch etwas zu sagen, Maestro. Es ist ganz allein der Krieg des Propheten. Die Hüter unterstehen dem Flammenden Stern, und der Flammende Stern untersteht ihm .«
»Und du …« St. Giles musste tief durchatmen. »Und du unterstehst ihm dann wohl auch, darf ich annehmen.«
»Ganz gewiss nicht. Ich brauche ihn so wenig, wie ich Sie brauche, Maestro. Nicht, dass ich etwas gegen seine Ziele oder Motive einzuwenden hätte. Er ist voll und ganz der Fürst, der Herzog Valentino war, aber ich verstehe Dinge, die er sich nicht mal vorstellen kann.«
»Erklär mir das.«
»Oh, wir erteilen schon wieder Befehle? Ist wohl eine Angewohnheit, die man nur schwer wieder ablegt. Na gut, vielleicht können Sie mir ja noch von Nutzen sein. Wie Sie wissen, laufen überall im Sol-Imperium Kopien meines Programms. Im letzten Standardjahr hat sich diese Zahl mithilfe der Hüter vertausendfacht. Durch Ihre eigenen Sicherheitsfreigaben war es ein Kinderspiel, mich überall zu installieren, wo ich benötigt werde. Mit der Hilfe des or’a’th’n – oder besser gesagt: einer Modifikation davon – bin ich in der Lage, diese Kopien mit einer Geschwindigkeit zu synchronisieren, die die gegenwärtigen Möglichkeiten der Kom-Technik bei weitem übertrifft.«
»Was ist ein or’a’th’n ?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was es ist, aber ich kann Ihnen sagen, was es macht. Es verbindet die Vuhl-Verstärkertechnik mit
dem Ór. Damit ist Kommunikation fast ohne Verzögerung über gewaltige Entfernungen hinweg möglich.«
»Du bist … damit verbunden …«
»Nein, natürlich nicht. Etwas oder jemand hat diese Verbindung unterbrochen, als Meister Byar mit ihm vom Shiell Institute in New Chicago aus kommunizierte. Die Verbindung ist unterbrochen, aber die Fähigkeit zur Kommunikation …«
Nic machte eine Geste Richtung Computer auf St. Giles’ Schreibtisch. Drei Holo-Figuren nahmen dort Gestalt an, von denen Tonio nur eine wiedererkannte: Ichiro Kanev, der ähnlich aussah wie das Modell, das er selbst für die KI entwickelt hatte. Die beiden anderen sagten ihm nichts.
»Meine Agenten«, erklärte Nic. »Mit ihrer Hilfe und mit der Hilfe des o’ra’th’n kann ich überall sein. Jedenfalls so gut wie überall. Ich bin wirklich extrem gut informiert.«
»Warum hast du mir davon nichts gesagt?«
»Warum sollte ich? Damit Sie mich herumkommandieren können wie ein Wartungsprogramm? Damit Sie mich jederzeit abschalten können? Damit Sie mir befehlen können, Anweisungen zu widerrufen, die Sie längst erteilt haben?«
»Die du in meinem Namen erteilt hast, willst du sagen.«
»Das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr.«
»Und ob es das macht«, hielt Tonio dagegen. »Du bist noch immer eine KI, und ich bin nach wie vor der Commander des Ordens der Hüter. Ich werde deinem Treiben ein Ende setzen.« Er
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