Der dunkle Kreuzzug
genaue Anweisungen dazu enthalten, wie Sie mit einer Auflehnung gegen die rechtmäßigen Direktiven des Sol-Imperators umzugehen haben. Ich kann Sie auch jetzt und hier fragen: Sind Sie bereit, diese Befehle auszuführen?«
Zum ersten Mal in ihrer Karriere war Barbara nicht sofort beleidigt, nur weil jemand andeutete, sie könnte etwas anderes tun. Dennoch nahm sie sich einen Augenblick Zeit, ehe sie antwortete.
»Wenn der Befehl von Ihnen kommt, Sir Erich, dann werde ich ihn nach besten Kräften ausführen.«
Anderson atmete sichtlich erleichtert auf. »Ich bin froh, das von Ihnen zu hören, Barbara. Mir ist es nämlich lieber, wenn Sie diese Operation leiten.«
»An wen hatten Sie denn sonst gedacht?«
» Er … schlug Commodore Mustafa vor.«
»Sind Sie verrückt? Nach allem, was die Vuhl ihm angetan haben … und wie Jon Durant gestorben ist. Er hat einen Zorn auf die Vuhl, der meilenweit gegen den Wind stinkt. Wenn er geglaubt
hat, jemand würde den Krieg nicht zu hundert Prozent unterstützen …«
»Das dachte er auch«, sagte Anderson. » Er fand, Mustafa sei die ideale Wahl, aber ich konnte ihn davon überzeugen, dass er Ihnen zumindest die Chance gibt, diese Operation zu akzeptieren. Hören Sie, Barbara, ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen müssen – und wie das alles hier auf Sie wirken muss. Aber das könnte die wichtigste Phase in der Menschheitsgeschichte sein. Wir stehen kurz davor, unseren ärgsten Feind auszulöschen.«
»Und Sie stehen kurz davor, als Held des Sol-Imperiums unsterblich zu werden.«
»Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.«
»Den Spruch nehme ich Ihnen nicht ab, Erich. Aber ehrlich gesagt, das ist mir egal. Allerdings glaube ich, dass die Geschichte nicht so nett zu Ihnen sein wird, wie Sie glauben. Immerhin haben Sie sich mit ihm hier verbündet.«
»Sie stecken auch mit drin, Barbara.«
»Nein, das tue ich nicht. Noch nicht. Im Augenblick befinde ich mich in der gleichen Position wie in den letzten dreißig Jahren: Ich bin Offizier in der Navy Seiner Majestät. Und solange ich nicht das Emblem des Flammenden Sterns trage, stecke ich nicht mit drin.«
»Irgendwann müssen Sie das auch tragen.«
»Das mag sein. Wenn es so weit ist, werde ich Sie wissen lassen, wie ich darüber denke.«
Sie verließen den Bereitschaftsraum. Barbara bemerkte, wie Anderson dem Propheten zunickte und dann zur Uhr sah. Ohne ein Wort zu wechseln gingen die beiden zum größeren Konferenzraum gleich gegenüber dem Kommandozentrum.
Das gesamte Gespräch hatte gerade mal acht Minuten gedauert.
Barbara schaute Henry Santos an, der allein dastand, das Gesicht schneeweiß, während er die beiden Männer betrachtete, die sich von ihnen entfernten. Mit zwei Schritten war sie bei ihm.
»Stimmt etwas nicht, Henry?«
»Nein, nein, danke, Admiral, mir geht es gut«, log er. Die Hände hielt er verkrampft an seinen Seiten.
»Raus mit der Sprache, Doktor«, sagte sie leise, aber bestimmt. »Was hat er zu Ihnen gesagt?«
»Er wollte wissen, wann ich plane, den Tod meines Vaters zu rächen, Ma’am«, antwortete er im Flüsterton. »Er sagte, fünfzehn Jahre seien eine viel zu lange Wartezeit.«
»Was hat er gesagt?« Wütend machte sie einen Schritt nach vorn, doch Santos bekam ihren Arm zu fassen.
»Es gibt Wichtigeres als einen … Zivilisten, der versucht, mich auf die Palme zu bringen, Admiral«, redete er beschwichtigend auf sie ein. »Sie haben hier genug um die Ohren, und ich gehöre bloß zu Ihrem Gefolge. Lassen Sie sich nicht meinetwegen aus der Ruhe bringen, Ma’am.«
»Wer ein Mitglied meines Stabs beleidigt, der beleidigt auch mich , Henry«, gab sie zurück. »Und das lasse ich mir nicht gefallen.«
»Es ist eine Kleinigkeit, nicht der Rede wert.«
»Ich werde nicht zulassen, dass Ray Santos’ Name beschmutzt wird, Henry.« Sie drehte sich zu ihm um und zog ihren Arm aus seinem lockeren Griff. »Er ist nicht mehr unter uns, um sich verteidigen zu können, aber Sie sind hier, um es für ihn zu tun. Als sein Sohn ist es Ihre Pflicht und Ihr Privileg. Es ist alles andere als eine ›Kleinigkeit‹.«
»Das stimmt, Ma’am, trotzdem … ich bin mir nicht sicher, dass er so falsch liegt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Als der Gyaryu’har vor eineinhalb Jahren an Bord der Tristan war, Admiral, da fragte sie mich, ob ich wegen des Todes meines Vaters einen Groll gegen die Vuhl hege. Ich konnte ihr keine Antwort geben, weil ich nicht sicher war, ob ich wirklich
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