Der dunkle Kreuzzug
als wolle er sie dazu bringen, ihn anzugreifen.
Sie erinnerte sich an eine andere Zeit und einen anderen Ort: alTle’e .
Sie hörte die Stimme von Jackie Laperriere in ihrem Kopf:
Ich weiß nicht, welche Kraft in Ihren Flügeln liegt. Ich weiß nur, dass Sie Ihr Schwert jetzt wegstecken oder mich damit töten. Es liegt an Ihnen.
Sie hatte damals den Gyaryu’har nicht getötet. Hätte sie es getan, wäre sie vermutlich idju geworden … doch vieles von dem, was später geschehen war, hätte sich vielleicht nie zugetragen.
Wie viele Ereignisse in der Geschichte des Volks waren die Folge von Untätigkeit gewesen? Ganz gleich, was si Owen getan und wie er entschieden hatte, in den Flug des Volks einzugreifen, diesem Treiben musste ein Ende gesetzt werden.
Dies war ihr shNa’es’ri !
Es war eine angemessene Entscheidung für jemanden, der den Flug des Volks geträumt hatte.
»A-ei!«, schrie sie und holte mit der Klinge nach Owens ungeschützter Brust aus.
Im gleichen Moment versperrte ihr ein steinernes Schwert den Weg. »Nein«, sagte La’ath. »Das werden Sie nicht machen.«
Das »Nein« hallte auf der Ebene des Schlafs nach und erinnerte sie an die Phase in anGa’e’ren , als sie das gleiche Wort dort hörte.
Sie ließ ihr chya an La’aths längerer Klinge entlanggleiten, um ihre Waffe freizubekommen, aber der Wächter beherrschte sein Schwert meisterlich und machte sich zudem seine Größe zunutze, indem er Ch’en’ya daran hinderte, die Spitze erneut auf Owen zu richten, der neben La’ath stand und sich nicht rührte.
»Ich werde Sie persönlich zu esLi schicken, si La’ath«, sagte sie. »Ich werde Sie vernichten.«
»Damit?« La’aths Flügel bewegten sich amüsiert, während er den nächsten Angriff abwehrte. »Sie können mich nicht zerstören, Kind! Ich diente esLi schon viele Fünfzwölfer-Zyklen, bevor von Ihnen auch nur der kleinste Teil existierte. Sie können nicht jene vernichten, die von esLi beschützt werden.«
»Ich träume den Flug des Volks!«, brüllte sie ihn an. »Ich sehe …«
»Sie sehen gar nichts . Der Täuscher verschleiert Ihre Sicht«, fiel La’ath ihr ins Wort. Er bewegte sein steinernes chya von einer Seite zur anderen und drängte sie zurück. »Wenn es stimmt, was si Owen sagt, dann machen Sie schon jetzt gemeinsame Sache mit dem Täuscher!«
»Nein!«, rief sie und umkreiste ihren Gegner.
Owen rührte sich weiterhin nicht, sondern stand starr wie eine Statue da, während die Statue selbst ihn beschützte und jedem Schritt folgte, den Ch’en’ya machte.
»Ich erkenne si Owens Worte nicht an, und das sollten Sie auch nicht. Er hat ebenfalls mit der Schändlichkeit der sechs zu tun gehabt, Ihrem uralten Feind. Aber vielleicht«, fügte sie an, während sie versuchte, näher an La’ath heranzukommen, »hat er ja vergessen, das zu erwähnen.«
»Davon wissen wir«, sagte der Wächter Do’loth. » Sie sind diejenige, die uns getäuscht hat, und nun kommt der Wahnsinn des Tageslichts über Sie.«
»Ich … träume …«, setzte sie an.
La’ath zog seine Klinge hoch und bewegte sie dann von links nach rechts – und das alles in einer Geschwindigkeit, die für eine steinerne Statue einfach unvorstellbar war. Mit der flachen Seite der Klinge traf er Ch’en’ya am Kopf, sodass sie mit Wucht auf den Steinboden geschleudert wurde.
»Ich bitte achttausendmal um Entschuldigung, se Ch’en’ya«, sagte La’ath leise und fast zärtlich, »aber Sie wurden wahrhaftig getäuscht.«
Dann versank für sie die Welt wieder in anGa’e’ren .
Pali Tower Imperiales Oahu, Sol-System
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit besaß Tonio auch ein Apartment im Pali Tower. Es war nüchterner eingerichtet als sein Zuhause in
Aiea, aber es war praktisch, wenn er länger im Büro zu tun hatte oder sich mit Mitgliedern des Inneren Ordens traf. Dort war er jetzt untergebracht. Es gab keine Kom-Verbindungen, der Zugriff auf den Computer war stark eingeschränkt und wurde durch Nic gefiltert. Dafür stand ihm aller Luxus zur Verfügung, den das Apartment zu bieten hatte. KIs konnten damit nichts anfangen.
Totto hatte ihn allein gelassen, nachdem Tonio von ihm hergebracht worden war. Nur die direkte Verbindung zwischen hier und dem Büro stand ihm zur Verfügung, alle anderen Türen waren verriegelt, und wie Nics »jüngerer Bruder« ihm versicherte, konnten auch sie alle so unter Strom gesetzt werden wie die, die ihm den Schlag versetzt hatte.
Zwei Tage waren seit Tonios
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