Der dunkle Kreuzzug
zu können, warum der Beirat so grundlegende Veränderungen in unseren Beziehungen zum Hohen Nest vornehmen will, dem gleichen Hohen Nest, mit dem wir eine freundschaftliche Beziehung unterhalten,
die älter ist als jeder in diesem Saal, und auch älter als nahezu jeder Bürger des Sol-Imperiums. Wir waren selbstverständlich alle überrascht und bestürzt, als sich die Streitkräfte des Hohen Nests aus dem derzeitigen Feldzug zurückzogen.«
»Das war kein Anlass für Überraschung und Bestürzung, Abgeordneter«, sagte Danielle Kalidis und beugte sich vor. »Das Handeln des Hohen Nests war ein verräterischer Akt.«
»Ach, tatsächlich?«, fragte Atkins. »Ist das wahr? Haben sie ihre Waffen auf Admiral Andersons Schiffe gerichtet? Haben sie sich der Sache der Vuhl angeschlossen?«
»Sind das die einzigen Maßstäbe, die man anlegen darf, wenn man von Verrat spricht?« Sie wollte ihn herausfordern, daran bestand kein Zweifel. Allein wie sie schon das Wort Verrat betonte, ließ ihre Frage wie eine Drohung klingen.
Vittorio Atkins hatte über zwanzig Jahre Praxis in der Imperialen Versammlung und betrachtete sich als durchaus versiert darin, was das Interpretieren des Tonfalls oder des Mienenspiels eines anderen anging. Er schaute kurz zu Josep Naro, der auf ihn den Eindruck machte, als habe er sich von den Erlassen noch nicht erholt.
»Ich würde gern Ihre Definition des Begriffs ›Verrat‹ erfahren, Abgeordnete Kalidis«, entgegnete er schließlich. »Mein Computer hat Folgendes zu bieten: ›Der Verrat des eigenen Landes, indem man Krieg gegen dieses Land führt oder gezielt seinen Feinden hilft.‹ Das erscheinen mir zwei durchaus plausible Beispiele für das zu sein, worüber wir hier reden … Welches von beiden Verbrechen werfen Sie Admiral HeYen vor, Madam? Oder haben Sie die Definition von ›Verrat‹ geändert, damit sie auf jeden passt, der nicht einer Meinung mit dem Flammenden Stern ist?«
Kalidis’ Miene verfinsterte sich. Einen Moment lang schien sie etwas antworten zu wollen, doch Sir Terrence Atsoka kam ihr zuvor, indem er die Hand hob und sich unüberhörbar räusperte.
»Abgeordneter Atkins, nur damit ich Ihren Einwand richtig verstehe. Sie sind der Ansicht, dass die Erlasse dieses Beirats – die
bereits das Siegel des Imperators tragen – eine unangemessene Reaktion auf das übereilte Handeln von Admiral HeYen und des Hohen Nests sind?«
»Ja, Sir. Was das Siegel des Imperators angeht, respektiere ich die Autorität Seiner Imperialen Hoheit, aber bislang lag es in der Verantwortung der Imperialen Versammlung, über solche Angelegenheiten zu entscheiden, bevor sie dieses Siegel erhalten. Nun werden uns solche Erlasse als fertig geschnürtes Pakete vorgelegt, aber erwarten Sie nicht, dass wir sie deshalb widerspruchslos hinnehmen. Sie haben entschieden, uns diese Erlasse zu verlesen, bevor Sie sie öffentlich bekannt geben, und Sie haben sich bereit erklärt, Fragen zu beantworten. Nun habe ich eine Frage: Welche Absicht vermuten Sie, nachdem sich das Hohe Nest aus der Schlacht im UPENDRA-System zurückgezogen hat? Glauben Sie, das Hohe Nest wird nun gemeinsame Sache mit dem Feinde machen?«
»Dazu werden sie erst gar keine Gelegenheit bekommen«, erwiderte Kalidis sofort. »Wir werden …«
»Wir werden was ?«, unterbrach Atkins sie. »Was werden wir machen? Welchen Zweck verfolgen wir damit, die Zor in eine Ecke zu drängen? Was wollen Sie von den Zor, Danielle?«
Danielle Kalidis stand auf und ignorierte den warnenden Blick des Premierministers. »Ich will Antworten, Abgeordneter. Ich will eine Antwort , warum sie sich zurückgezogen haben – und ich will diese Antwort in einer Form, die einen Sinn ergibt, nicht dieses Gefasel vom ›Tal der Toten‹ und so weiter. Sie sollen mir sagen, was sie beabsichtigen. Die Präsenz einer dem Sol-Imperium feindlich gesinnten Flotte stellt eine eindeutige Bedrohung dar, und es gibt wohl keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden, Abgeordneter Atkins. Die Zor können ein Feind sein, der mit den Vuhl verbündet ist, oder ein von ihnen unabhängiger Feind. Aber wenn sie gegen einen Vertrag verstoßen, der sie an das Sol-Imperium bindet, dann sind sie ein Feind . Und als solcher werden wir sie auch behandeln«, führte sie aus und zeigte mit einem Finger auf
Vittorio Atkins. »Und genauso werden wir jeden behandeln, der mit ihnen sympathisiert.«
»Das ist nun wirklich zu viel des Guten, Premierminister!«, sagte Atkins. »Werde ich jetzt
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