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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ich verbürge meine Seele für seine Unschuld. Sucht ihn und holt ihn zurück und Ihr werdet sehen …«
    Meine Mutter stand abrupt auf. »Verzeiht, Höchste Schwester, Höchster Bruder. Seit ihr diese … Sache zugestoßen ist, handelt sie sehr unkontrolliert und impulsiv.«
    Der Mégan beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Und dann überraschte mich der steinerne Herrscher. »Nein, lass sie sprechen, Isané. Krank oder nicht – sie ist eine Tochter der Stadt, ihre Stimme zählt. Du glaubst immer noch an ein Verbrechen? Trotz der Beweise?«
    »Beweise können lügen, höchster Vater. Aber selbst wenn Tian all das getan hat, muss er dafür Gründe gehabt haben. Vielleicht musste er es so aussehen lassen, als wäre er heimlich gegangen, um … uns zu schützen.«
    »Seltsam nur, dass niemand eine Lösegeldforderung gestellt hat. Welcher Entführer verschwindet ohne eine Nachricht mit einer Geisel in die Wüste?«
    Fieberhaft suchte ich nach Verbindungen, nach Gründen und Erklärungen.
    »Vielleicht geht es um etwas Kostbareres als Lösegeld. Was, wenn er entführt wurde, um Informationen über das Zentrum zu erhalten?«
    Das Schlimme war, dass meine eigenen Worte sofort Bilder in mir wach riefen. Jenns zugerichtetes Gesicht überlagerte die Züge meines Liebsten.
    Zum ersten Mal blitzte so etwas wie Interesse in den kalten Onyxaugen des Mégan auf. »Nehmen wir an, wir verfolgen deine Fährte. Was schätzt du, wie viel würde es kosten, Tian aus Feindeshand zu befreien?«
    Ich musste nicht schätzen. Ich kannte jede Zahl in dieser Stadt, jedes Gehalt, jeden Sold, jeden Handelspreis. Es war, als könnte sich mein Geist in eine Kammer zurückziehen, während mein Verstand ganz von allein Zahlen addierte. Ich rechnete den beiden Herrschern den Lohn für bewaffnete Männer, Spurensucher, Material und Spezialisten vor. »Im schlimmsten Fall – wenn wir ihn aus den Händen bewaffneter Entführer befreien müssen – siebenhundertzwanzig Magamar«, schloss ich. »Falls wir ihn nur finden müssen, hundertsechzig.«
    »Das ist immer noch viel Geld.«
    »Nichts kommt Ghan teurer, als uns beide im Stich zu lassen. Unsere Familien haben unsere Ausbildung finanziert, über siebzehntausend Magamar für jeden von uns. In Zukunft hätten wir ein Vielfaches davon für die Stadt erworben. Die Verschwendung der Talente kostet auf die Jahre gerechnet also weitaus mehr als Tians Rettung.«
    »Strategisch und mathematisch denkst du zwar logisch«, bemerkte der Mégan. »Und trotzdem höchst irrational. Du gehst nämlich davon aus, dass du nach seiner Rückkehr noch in der Lage sein wirst, wieder an seiner Seite zu stehen. Er hat dich aber verlassen. Und das hätte er nicht getan, wenn er dich lieben würde, wie du behauptest.« Es war ein Schlag, der mir die Luft für jedes weitere Wort nahm. Der Mégan lächelte fein und so frostig, dass jede Sympathie für ihn erlosch. Noch gestern hätte ich nicht gewagt, dem Höchsten Herrscher etwas anderes als Respekt und Ehrfurcht entgegenzubringen. Aber ich musste mich sehr verändert haben, denn jetzt hätte ich ihm am liebsten dieses herablassende Lächeln aus dem Gesicht geschlagen.
    »Beantworte mir noch eine Frage«, fuhr der Herrscher fort. »Was, wenn deine Verfassung so bleibt und du keine Zukunft mit ihm hast? Würdest du dann auch noch alles dafür geben, ihn zurückzuholen?«
    Ich wusste, was ich sagen musste, auch wenn sich alles in mir sträubte. Aber es gelang mir tatsächlich, so sachlich wie meine Mutter in ihrer Richterposition zu antworten. »Selbst wenn Tian eine andere heiratet, ist das immer noch besser für die Zukunft unserer Stadt, als uns beide zu verlieren. Ja, auch dann würde ich alles dafür geben.«
    Der Herrscher beugte sich vor. Seine Fingerspitzen ruhten aneinander. Durch das Pergament seiner Haut schimmerten die blauen Adern auf den Handrücken. Der alte Mann war niemand, der seine Makel unter Schminke und Puder versteckte. »Und wie hoch wäre dieses ›Alles‹ denn genau?«, fragte er lauernd.
    Meine Mutter holte Luft, als wollte sie ihn unterbrechen, aber die Mégana war schneller. »Bei allen Sternen, genug jetzt, Liebster!« Ihre Sanftheit war wie ein warmer Wind in der Kälte des Raums. »Du siehst doch, dass sie erschöpft und verzweifelt ist. Und sie liebt den Jungen so sehr, dass sie sogar ihre Seele dafür geben würde.«
    Der Mégan lachte trocken auf und ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Sein Körper verlor die

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