Der dunkle Kuss der Sterne
auch sie mir zeigen, was ich verloren habe.
Die Mégana runzelte die Stirn. »Ist in deiner Brautnacht auch eine der Kerzen erloschen?«
»Nein, Höchste Mutter!«
»Bist du sicher?«
»Meine Schwester kann es bezeugen. Alle vier Lichter brannten.«
Es wurde seltsam still. Sogar die Fliege hatte aufgehört zu summen. Die Mégana musterte mich prüfend. Ihr Lächeln war verschwunden. Gestützt auf ihren Silberstock ging sie mit kleinen Schritten zurück zum Tisch. Bis auf das Tock-Tock auf dem Marmor war es im Raum ruhig. Mein Vater war kreideweiß geworden. Meine Mutter starrte ohne zu blinzeln in die Flammen, in ihren Augen war etwas Verlorenes, Fernes, das ich an ihr nicht kannte. Als sie krampfhaft schluckte, traten die Sehnen an ihrem Hals zu deutlich hervor.
Ich hatte nichts zu verbergen, nichts falsch gemacht. Und trotzdem fühlte ich mich schuldig, als ich bei den Kerzen zurückblieb. Das fehlende vierte Licht wirkte wie eine tote Stelle. Vielleicht habe ich meinen Glanz verloren, als Tian ging, dachte ich . Wie soll ich ohne ihn auch lächeln?
Der Mégan brach das Schweigen. »Auch wenn ihre Schönheit verloren ist, könnten ihre anderen Talente für Ghan noch gute Dienste leisten.«
Ich zuckte zusammen. »Verloren?«, flüsterte ich. »Aber …«
»Niemals!«, zischte mein Vater. Plötzlich flirrte die Luft, als wäre sie elektrisch aufgeladen. »Unsere Tochter wird Ghan auf die Weise dienen, die das Gesetz für sie vorgesehen hat.«
Meine Mutter stand ruckartig auf.
»Mein Mann hat recht, Höchster Bruder.« Sie ging um den Tisch herum und legte mir die Hand auf die Schulter. Es war eine besitzergreifende Geste. Ich unterstand immer noch meinen Eltern. Seit gestern vergaß ich das immer wieder. »Hier geht Familienrecht vor Stadtrecht. Gesetzbuch von Ghan, Paragraph 14 B.«
Das Gesetz der Verwaisten? Ich schnappte nach Luft, und trotzdem hatte ich plötzlich das Gefühl, zu ersticken. Das kann nicht sein . Niemals würden sie mir das antun.
Aber wie so oft in diesen Tagen irrte ich mich auch diesmal.
»Das bedeutet also, ihr schickt sie ins Haus der Verwaisten«, stellte der Mégan fest. »Tja, schade um deine restlichen Talente, Canda.«
Ich dachte, ich wäre schon so tief gefallen, wie es nur ging, aber jetzt begriff ich, dass ich noch nicht am Grund angekommen war. Bilder meiner Zukunft flatterten davon, trudelten ins Nichts. Nur ein Bild blieb übrig: Ich, einsam und unvollständig vor mich hin vegetierend im Haus der gestrandeten Einzelnen. Bis ich starb. Jetzt wusste ich, was Manja gemeint hatte, als sie sagte, ich wäre besser tot.
»Ich gehe dort nicht hin!«, stieß ich hervor. »Ich bin keine Verwaiste!«
»Juristisch gesehen bist du es«, antwortete meine Mutter. Das Schlimme war, dass das stimmte. Und die alte Canda hätte ebenso gedacht und argumentiert wie sie. Ich konnte jedes Gesetz im Schlaf mit den schärfsten Argumenten verteidigen – auch dieses.
»Diener!« Schritte hallten hinter mir und mein Vater sagte die letzten Worte, die ich bis heute aus seinem Mund gehört habe: »Ich dürft sie festhalten und sie auch gegen ihren Willen in das Haus der Verwaisten bringen.«
Aber ich wehrte mich so sehr, dass die beiden Männer Schwierigkeiten hatten, mich zu bändigen. Ich hörte erst auf, mich gegen den Griff zu stemmen, als meine Mutter ihre Hände fest um mein Gesicht schloss. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich ihre Augen vor Tränen glänzen. »Canda!«, wisperte sie mir zu. »Zwing uns nicht dazu, dir auch noch Fesseln anzulegen wie einer Wahnsinnigen. Du hast alles für Tian getan, was in deiner Macht stand. Und wir sind deine Eltern und tun jetzt das, was für die Familie und dich am besten ist!«
Hätte ich gewusst, dass es unser letzter Abschied sein würde, ich hätte ihr nicht geantwortet, dass sie eine Verräterin war, dass sie mich nie geliebt haben konnte und dass ich sie hasste. Und ich weiß bis heute nicht, woher ich die Kraft nahm, mich aus dem Griff der Diener zu winden. Ich rannte zur Mégana, die immer noch auf ihren Stock gestützt neben dem Tisch stand, ergriff die Hand der alten Frau, umklammerte die trockenen, dünnen Finger. »Lasst nicht zu, dass sie mich lebendig begraben«, flehte ich sie an. »Ich bin keine Verwaiste, Höchste Mutter!«
»Nehmt sie mit«, befahl meine Mutter mit zitternder Stimme.
Ich hielt den Blick der Mégana fest, so lange es ging. »Gebt Tian und mich nicht auf«, flüsterte ich immer wieder. »Ich bitte
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