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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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streifte ihr Blick Amadar. Mir wurde kalt. Ich hatte also richtig vermutet, er war ein Menschenjäger.
    »Oh Canda!«, fuhr die Herrscherin etwas freundlicher fort. »Ich hätte versucht, deine Eltern zu überzeugen, dass du wenigstens mir noch dienen darfst. Als Namenlose zwar, und im Verborgenen, aber mit den Talenten, die du noch besitzt. Doch jetzt hast du dir auch noch diese letzte Chance auf ein würdiges Dasein genommen.«
    »Dann lasst mich gehen!« Der Ruf brach aus mir heraus. Und selbst jetzt fühlte es sich noch wie ein Frevel an, die Herrscherin so respektlos anzusprechen.
    »Hast du den Verstand verloren? Wieso sollte ich so etwas Verrücktes tun?«
    »Weil es für Euch jetzt ohnehin gleichgültig ist, ob ich lebe oder sterbe. Für die Stadt habe ich keinen Nutzen mehr.«
    »Du bist immer noch eine Tochter Ghans und verdienst unseren Schutz.«
    »Schutz?« Beinahe hätte ich gelacht. »Und deshalb lasst ihr zu, dass ein Sklave eine Hohe Tochter anfasst?«
    Beim Wort Sklave holte Amadar scharf durch die Nase Luft und seine Hände schlossen sich zu Fäusten. Nun, weshalb auch immer er mich hasste – jetzt hatte er wenigstens Grund dazu.
    »Ich musste ihm erlauben, dich zu berühren, um dich vor den Häschern in Sicherheit zu bringen«, erwiderte die Mégana ruhig. »Und sieh dich an: Ich kann dich doch nicht deinem Schicksal überlassen.«
    »Das habt Ihr längst getan.«
    Die Züge der Herrscherin verhärteten sich. Ich war sicher, sie würde jetzt ihren menschlichen Bluthund auf mich hetzen, aber zu meiner Überraschung musterte sie mich nur so erstaunt, als würde sie mich zum ersten Mal wirklich wahrnehmen. »Und wie weiter, Canda? Glaubst du wirklich, du könntest in der Wüste allein überleben? Amadar, was meinst du?«
    Ich war fassungslos. Sie fragte einen Sklaven um Rat?
    Der Kerl schüttelte den Kopf. »Sie würde nicht einmal bis zum nächsten Wasserlager kommen.«
    Ich galt bei meiner Familie seit jeher als die Ruhige, Vernünftige – aber jetzt schäumte mein Blut hoch.
    »Ich bin eine Moreno! Die Wüste ist meine Heimat. Meine Vorfahren jagten dort mit Pfeil und Bogen. Unsere Zelte waren mit den Fellen von Wüstenlöwen ausgelegt und unsere Feinde fürchteten uns so sehr, dass sie lieber starben, als uns nach einem Kampf verletzt in die Hände zu fallen.«
    Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Vor hundert Jahren vielleicht. Da wart ihr noch die Wölfe der Wüste. Heute dagegen seid ihr … Städter.«
    Es klang so verächtlich, als würde er »Versager« meinen.
    »Wie kannst du es wagen, meine Familie zu beleidigen!«
    »Habe ich das? Ich nenne die Dinge nur beim Namen. Im Windschatten des eisernen Turms ist es einfach, mutig zu sein. Aber die richtige Wüste ohne den Schutz der Stadt ist etwas anderes. Die Kreaturen fragen nicht danach, ob sie das Fleisch einer Moreno oder eines namenlosen Nomaden verschlingen. Und in den Wüstenbergen lauern Wesen, die das Blut der Schlafenden trinken und nur ihre leeren Hüllen zurücklassen …«
    »Soll mich dieser Aberglaube etwa einschüchtern?« Ich hob das Kinn und wandte mich an die Mégana. »Und selbst wenn es so wäre, ich sterbe lieber unter den Sternen, als unter Glas zu verenden wie eine gefangene Fliege!«
    Die Mégana überraschte mich mit einem leisen Lachen. »So hätte ich dich ja gar nicht eingeschätzt, Canda«, sagte sie nach einer Weile. »Du machst deinen Vorfahren alle Ehre. Aber ich verstehe dich besser, als du denkst: Als ich noch so jung war, hätte ich mich auch niemals brechen lassen wie ein Stück Holz. Und ich wäre auch eher gestorben, als aufzugeben.« Ein schmerzlicher Zug ließ ihr Gesicht weicher wirken, und mir schien, als blickte sie weit in eine Vergangenheit voller Krieg und Chaos. Zum ersten Mal flackerte wieder so etwas wie Hoffnung in meiner Brust auf. Pack sie an dieser Stelle! Das ist deine Verbindung zu ihr!
    »Dann wisst Ihr ja am besten, worum ich Euch wirklich bitte. Oder hättet Ihr Euch als junges Mädchen in ein solches Schicksal ergeben?«
    Die Mégana lächelte schmal. Ihr Mund war eingefallen und faltig und hier, in dem flackernden Licht, sah sie den Gespenstern im Haus der Verwaisten erschreckend ähnlich.
    »Kluges Mädchen. Aber ich weiß genau, was du wirklich vorhast. Dir geht es nicht um dich, das ist nicht deine Art. Du bist für andere mutiger als für dich selbst, habe ich recht? Wenn Tian tot wäre, würdest du dein Leben demütig und gehorsam im Haus der Verwaisten beschließen.

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