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Der dunkle Kuss der Sterne

Der dunkle Kuss der Sterne

Titel: Der dunkle Kuss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Minuten ihre Rolle als strenge Richterin vergessen hatte.
    Und meine ganze Brust schmerzte vor Sehnsucht, Tians Lippen auf den meinen zu spüren, warm und lächelnd. »Alles wird gut, mein schöner Stern«, würde er mir zuflüstern. Ich formte die Worte stumm mit den Lippen und mein Herz brannte wie eine einzige Wunde von Verlust und Kummer.
    Ich vergewisserte mich, dass die Bestie weit genug weg war, dann wagte ich einen Blick zu den Sternen, unabsichtlich berührte ich dabei mit dem Kopf Amadars Schulter und wir zuckten beide zusammen.
    »Träum nicht in den Himmel, konzentrier dich«, knurrte er. Obwohl es heiß war, nahm ich wieder die bedrohliche Kälte seiner Nähe wahr. Hastig rückte ich ein Stück von ihm ab. »Ich habe nur die Sterne um Schutz gebeten.«
    »Die Sterne.« Er schnaubte. »Narben des Himmels. Sie beschützen niemanden mehr. Früher waren sie heiß und verzehrend, aber jetzt ist ihr Glanz kalt und erloschen – so wie eure Herzen.«
    Ich schluckte krampfhaft. »Was weißt du schon von unseren Herzen?«
    »Offenbar mehr als du von deinem hochwohlgeborenen Liebsten. Glaubst du wirklich, dass dein Kerl all das hier wert ist? Wenn du mich fragst …«
    »Es fragt dich aber niemand!« Fast war ich dankbar, wieder wütend werden zu können, es betäubte meine Verzweiflung und mein wundes Herz.
    »Und wage es nicht noch einmal, so abfällig über ihn zu sprechen.«
    »Tue ich das? Mal ehrlich, Eure Hoheit, im Angesicht der Wüste und Auge in Auge mit diesen Bestien, die uns zum Fressen gern haben: Bist du tatsächlich immer noch der Meinung, du kennst Tian Labranako?«
    »Ich erwarte nicht, dass jemand wie du begreift, wer wir sind. Du verstehst nicht, was eine Zweiheit ist.«
    »Tja, halte mich für sentimental, aber nur so als Vermutung: Zweiheit oder nicht – jemanden, den ich liebe, liefere ich nicht den Kreaturen aus.«
    »Du hast ja nicht einmal eine Versprochene. Woher willst also ausgerechnet du wissen, was Liebe ist?«
    Er lachte leise auf. »Und du weißt es? Oder kannst du nur nicht allein sein?«
    »Langsam verstehe ich, warum Schwester Tod die Einzige ist, die dich küssen will«, sagte ich. »Hast du überhaupt ein Herz?«
    Die Hunde schreckten hoch und starrten uns an, als hätte ein unhörbarer Schrei sie aufgeschreckt. Obwohl wir uns nicht mehr berührten, konnte ich spüren, wie Amadar sich verhärtete.
    »Wozu sollte ich ein Herz brauchen? Es stört nur bei der Jagd.« Es klang bitter. Auch ohne mich umzusehen, spürte ich, dass er nun in den Himmel blickte. Es war seltsam, aber meine Wut war so schnell verflogen, wie sie gekommen war. Und ich weiß nicht, was mich dazu brachte, die Frage auszusprechen. »Aber du hast doch schon einmal jemanden geliebt? Jeder Mensch liebt doch! Irgendetwas oder irgendwen.«
    Kühle schien meinen Nacken hochzukriechen und im Bannkreis war es gespenstisch still geworden. Die Hunde starrten mich aus Flammenaugen an. Nur jenseits des Feuerrings wisperte und sang die Wüste unbeirrt weiter mit den Totenstimmen.
    »Früher liebte ich die Sterne«, antwortete Amadar. »Sie sind schon lange erloschen. Aber bis dahin … waren sie frei.«
    Einer der Hunde zog die Lefzen zurück und knurrte. Draußen verharrten die Kreaturen kurz, bevor sie ihre ruhelosen Runden um das Feuer wieder aufnahmen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mit dem Rücken an kaltem Glas zu stehen, nur dass sich diesmal hinter mir nicht das malerische Panorama der Wüste erstreckte, sondern ein Abgrund, schwarz, gierig wie das Maul einer Kreatur und unendlich tief. Ich umklammerte den Revolver, als würde nur er mich davor bewahren, den Halt zu verlieren und zu fallen, durch das hauchfeine Glas, mitten in den mahlenden Sog schlafender Geheimnisse und Worte, die niemals geweckt werden durften.

Jemand fächelte mir kühle Luft ins Gesicht und Puderstaub kitzelte meine Wangen. Zu Hause! , dachte ich . Aber warum habe ich solchen Durst? Meine Zunge war geschwollen und trocken wie ein Stück Leder, und als ich den Mund bewegte, tat es weh. Trockene Lippenhaut sprang auf und ich schmeckte Blut.
    Das brachte mich zurück in die Realität. Die Kühle war nur der Morgenwind, der mir Sand ins Gesicht blies. Der Revolver war fort, meine Hand krampfte sich in struppiges, aber weiches … Fell? Aber es war nicht die Graue, wie ich gehofft hatte, sondern mein eigenes Haar. Besser gesagt: das, was davon übrig war – das zerfranste Ende meines ehemals so langen Zopfes. Von dem Feuer zeugte nur noch

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