Der dunkle Ritter (German Edition)
beschlagnahmter Waffen starrte. Cabal drehte Emmalyn in seinen Armen zu sich herum, seine Berührung war jetzt sanfter, aber trotzdem fest. Als sie den Kopf abwenden wollte, zwang er ihren Blick mit einem sanften Drehen ihres Kinns zu sich zurück. »Bis jetzt haben sie uns nur Lebensmittel genommen, aber was wäre es als Nächstes gewesen? Ein Stück Vieh oder auch zwei? Eine Frau aus dem Dorf? Wann hätte ich Eurer Meinung nach dagegen einschreiten sollen, Emmalyn?«
»I-ich weiß es nicht«, wisperte sie und schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht, dass … «
Verlegen darüber, dass sie sich so sehr geirrt hatte – zum einen in Bezug auf die Diebe, aber auch auf ihre Zweifel an ihm – , wurde Emmalyn sehr still. Cabal würde sie jetzt verhöhnen; er hatte jedes Recht dazu. Wäre Garrett hier, er würde auf seinem Recht bestanden haben, sie für ihre Unfähigkeit und für ihr leichtsinniges jämmerliches Urteilsvermögen zu schlagen. Würde Cabal ähnlich reagieren?
Sie zog sich von ihm zurück, einen vorsichtigen halben Schritt weit, fast ohne darüber nachzudenken. Durch das tanzende Schimmern des Laternenlichts hielt sie ihren Blick auf seine Augen gerichtet, denn sie wusste nur allzu gut, dass sie dort die ersten Anzeichen aufkommender Wut sehen würde. Aber was sie jetzt in Cabals dunklem Blick sah, war nicht das Aufflackern von Wut und Verachtung, wie sie sie so oft in den Augen ihres Ehemannes hatte aufblitzen sehen. Sie war fast versucht, Cabals unverwandten Blick mitfühlend zu nennen, doch dann sah sie aus dem Augenwinkel, wie seine Hand sich aus der Dunkelheit neben ihr hob, und sie zuckte zusammen.
Die Augen fest zugekniffen und das Kinn in einem beschützenden Reflex gegen die Schulter gedrückt, wagte Emmalyn nicht einmal mehr zu atmen.
Cabal fluchte leise. »Wie kommt es, dass Ihr bereit seid, den Motiven gemeiner Diebe zu vertrauen, aber vor mir zurückzuckt, als würde ich Euch schlagen wollen?«
Emmalyn konnte weder antworten, noch konnte sie ihn ansehen. Wenn er nicht bereits wusste, wie tief ihre Beschämung war, würde er es gewiss an den Tränen erkennen, die ihr in die Augen gestiegen waren. Er streckte die Hand aus, als sie zitternd Luft holte, und zog sie an sich. Er legte die Hand unter ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Emmalyn zitterte, als ihr Cabal mit seinem harten Handrücken sanft über die Wange strich. Die Berührung war von fast schmerzhafter Zartheit. »Wovor habt Ihr Angst, Emmalyn? Glaubt Ihr wirklich, ich würde euch je wehtun wollen?«
Emmalyn wusste nicht, was sie glauben sollte, ob sie ihren Gefühlen trauen konnte. Auch wenn ihr Verstand ihr riet, vorsichtig zu sein, wollte sie in diesem Moment nichts mehr, als Cabals Berührung möglichst lange auf ihrer Haut zu spüren. Sie wollte hier im Halbdunkel bleiben, wollte jede Kante und jeden Winkel seines Gesichts betrachten, bis sie ihn in Gedanken malen konnte. Sie wollte, dass er seinen Mund auf ihren presste und sie mit dem gleichen Verlangen küsste, mit dem er vermutlich in der Nacht zuvor Jane geküsst hatte. Sie wollte sich wie eine Frau fühlen – unschuldig und sinnlich zugleich, beschützt und mächtig – denn tief in ihrer Seele wusste sie, dass er der Mann war, der sie in solche Höhen würde tragen können.
Sie wollte glauben, dass es so etwas wie ein Ehrgefühl in diesem gefährlichen Mann gab, in diesem Mann, der sein Leben mit Gewalt und Zerstörung bestritten hatte. Und doch – das zu glauben, wäre vielleicht ihr größter Irrtum.
Indem Emmalyn sich daran erinnerte, wer und was Cabal war, entzog sie sich seiner Umarmung. »Ich denke, ich habe hier genug gesehen, Mylord. Ihr habt bewiesen, dass Eure Einschätzung der Diebe richtig war, aber jetzt würde ich gern in den Turm zurückgehen –«
»Wollt Ihr jedes Mal vor mir davonlaufen, wenn wir allein sind, Emmalyn? Was, fürchtet Ihr, könnte passieren?«
Seine Herausforderung ließ sie wie angewurzelt dort verharren, wo sie stand, knapp zwei Schritte von ihm entfernt. Sie begegnete seinem prüfenden Blick, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und sie rieb, als sei ihr kalt. »Ich fürchte mich doch nicht.«
»Doch, Mylady, das tut Ihr. Vielleicht habt Ihr keine Furcht davor, für das geradezustehen, woran Ihr glaubt. Und nach allem, was ich gesehen habe, habt Ihr auch keine Angst vor harter Arbeit und Verantwortung. Aber, liebe Lady, vor mir habt Ihr große Angst.«
»Falls ich Angst habe, dann habt Ihr sie
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