Der dunkle Ritter (German Edition)
Distanz war der eine schwer von dem anderen zu unterscheiden. Selbst Taggart hatte angefangen, mit den übrigen Männern zusammenzuarbeiten. Der große Ritter hatte seine Übungen jetzt unterbrochen, um einem der neuen Soldaten die richtige Art zu zeigen, wie er seine Waffe halten musste. Dann machte er sich wieder daran, drei begeistert zuschauenden Auszubildenden die Kampftechnik vorzuführen, die angewandt wurde, wenn man sich mehrerer Gegner auf einmal erwehren musste.
»Sie arbeiten jetzt zusammen«, sagte der Captain, »sie helfen einander. Heute sind sie eine Einheit. Noch eine weitere Woche, und ich wette, sie werden eine Armee sein.«
Cabal schmunzelte. »Wie kommt es, dass Ihr tatsächlich angefangen habt, an diesen Plan zu glauben, Miles?«
Dieser schien einen Moment darüber nachzudenken. »Vermutlich weil mir klar geworden ist, wie sehr Ihr daran glauben wolltet. Die Männer respektieren Euch, so wie ich. Sie vertrauen Eurer Führung; jetzt ist es an Euch, darauf zu vertrauen, dass sie Euch nicht enttäuschen werden.«
Lächelnd legte Miles Cabal die Hand auf die Schulter, so wie ein Vater es bei seinem geliebten Sohn tun würde. Die unerwartete Berührung und der in der Tat liebevolle Blick des Captains überraschten Cabal völlig. Beides war ihm fremd. Furcht hatte er leicht genug geerntet, seitdem er seine Fäuste zum Kämpfen hatte erheben können, aber niemals hatte er so etwas wie den Respekt eines anderen Mannes kennengelernt, von der Wärme väterlichen Stolzes ganz zu schweigen.
Verwirrt stellte Cabal fest, dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte. Etwas in seinem Inneren fühlte sich zur selben Zeit eng und frei an, das Gewicht eines unbekannten, doch machtvollen Gefühls legte sich auf seine Brust, bis er kaum noch atmen konnte. Er wollte dieses Gefühl nicht kennen; er war nicht sicher, ob er es verdiente, und ganz gewiss wollte er nicht herausfinden müssen, ob dieses Gefühl aufrechterhalten werden konnte. Mit einer barsch gemurmelten Entschuldigung, dass er kaltes Wasser brauche, um den Schmerz in seinen Schläfen zu lindern, verließ Cabal Sir Miles und den Übungshof und begab sich zu dem Brunnen im Burghof.
Wat stand dort, als Cabal um die Ecke bog. Der Junge kämpfte mit der Aufzugswinde und versuchte erfolglos, einen vollen Wassereimer aus der Tiefe des Brunnenschachts heraufzuholen. Cabal blieb stehen und beobachtete den Jungen, doch er zögerte einzugreifen. Erst wenn er annehmen musste, er würde noch den ganzen Nachmittag warten müssen, um auch an die Reihe zu kommen, würde er zur Tat schreiten. Nachdem Wat der Griff der Winde zum dritten Mal aus den Händen gerutscht und der Eimer weit unten im Brunnen klatschend im Wasser aufgeschlagen war, räusperte sich Cabal.
»Du packst die Sache falsch an.« Wat zuckte zusammen, als er Cabals Stimme hörte, und fuhr herum. Er war hochrot im Gesicht, und er keuchte. Und offensichtlich war er verärgert. Wat sagte nichts, zog sich aber zurück, als Cabal auf den Brunnen zutrat. »Wenn du vor der Winde stehst statt daneben, musst du sehr viel kräftiger ziehen, um den Eimer hochzuholen.«
»So macht Thomas das manchmal. Ich habe ihm dabei zugesehen.«
»Nun, Thomas ist aber auch stärker als du. Du musst dein Körpergewicht besser einsetzen. Komm her.« Zögernd und den Blick aus den braunen Augen wachsam auf Cabal gerichtet, kam der Junge langsam näher, bis er neben Cabal stand. »Jetzt pack den Griff mit beiden Händen.«
»Aber so machen es die Mädchen«, protestierte Wat.
»Du wirst es auch so machen, bis deine Muskeln stark genug sind, es anders zu tun. Jetzt beug dich nach vorn, wenn du die Kurbel drehst, und wenn du sie vorwärts bewegst, lehn dich zurück und setz dein Gewicht als Hebel ein.« Obwohl er sichtlich verdrossen war, seine Aufgabe auf eine so unmännliche Art zu erledigen, befolgte Wat die Anweisungen und hatte binnen kürzester Zeit Erfolg.
»Das ist sehr viel wirksamer, oder nicht?«, fragte Cabal, als der Eimer auf dem Brunnenrand stand. »Jetzt füll deinen Eimer und geh, damit andere den Brunnen heute auch noch nutzen können.«
Ohne weiter mit dem Jungen zu reden oder sich darum zu kümmern, wie barsch er zu ihm gewesen war, sah Cabal müßig zu, wie Wat das Wasser aus dem Brunneneimer in den Eimer umschüttete, den er aus dem Stall mitgebracht hatte, und dann stumm davonging. Mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, nahm Cabal an, Wat wäre in den Stall zurückgekehrt, doch dann hörte er die
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