Der dunkle Ritter (German Edition)
Augen, wartete auf Wats sichere Entlassung, aber diese erfolgte nicht. Stattdessen verschwanden die beiden mit dem Rappen im Stall, und als sie kurze Zeit später wieder auftauchten, sahen sie aus wie – wenn auch nicht recht zusammenpassende – vertraute Gefährten.
Emmalyn konnte sehen, dass Bertie in diesem Moment aus dem Turm trat. Das Gewand aus rostbraunem Samt, das sie trug, war seit mindestens zehn Jahren aus der Mode, aber es stand ihr noch immer gut. Der beschwingte Gang der Amme verriet Emmalyn, dass sie sich trotz ihres Alters und ihres alten Kleides weiblich und hübsch fühlte. Cabal verschränkte die Arme vor der Brust und stieß einen leisen anerkennenden Pfiff aus, den Wat prompt nachmachte. Bertie gurrte vor Entzücken über die ihr zuteilwerdende Aufmerksamkeit und machte einen etwas linkischen Knicks vor ihren beiden Bewunderern.
»Wer könnte denn dieses hübsche Mädchen wohl sein?«, neckte Cabal sie.
Wat runzelte die Stirn und zupfte am Saum der Tunika des Ritters. »Es ist die Amme, Mylord! Seht Ihr das denn nicht?«
Während Emmalyn ihre Belustigung bezähmte, ging Cabal neben Wat in die Hocke, wobei er Bertie noch immer anlächelte. »Nun, bei Gott, mein Junge, so ist es. Ist sie nicht das reizendste Burgfräulein, das du je gesehen hast?«
Wat nickte heftig, offensichtlich war er bereit, allem zuzustimmen, was der Ritter sagte. Im nächsten Atemzug lief er zu Bertie und ergriff ihre Hand. »Sir Cabal hat mir heute das Reiten beigebracht, und ich bin nur zwei Mal vom Pferd gefallen! Er sagt, eines Tages werde ich vielleicht genauso gut reiten können wie er, und schau, Amme, siehst du, was er für mich gemacht hat?«
Wat hielt den Schatz empor, den er in der Hand gehalten hatte. Es war eine Holzschnitzerei, die ein Tier darstellte. »Du meine Güte!«, keuchte Bertie, als Wat ihr damit vor dem Gesicht herumfuchtelte und dabei ein tierisches Brüllen nachahmte.
»Es ist ein Löwe«, erklärte der Junge. »Sir Cabal hat auf dem Kreuzzug einen echten Löwen gesehen.«
»Hat er das?«
Wat nickte. »Es war ein Zauberlöwe, der aus seinem verschlossenen Käfig verschwunden ist!«
»Tatsächlich«, sagte die Amme langgezogen und warf Cabal einen zweifelnden Blick zu. »Nun, vielleicht wird Sir Cabal uns alle mit seiner Geschichte über diesen verschwindenden Löwen unterhalten, wenn wir heute Nacht am Feuer sitzen, was meinst du?«
Wat wandte sich um und sah Cabal aus großen, bewundernden Augen an. »Werdet Ihr das tun, Mylord?«
»Vielleicht«, erwiderte dieser mit einem leichten Schulterzucken.
Der Junge strahlte, offensichtlich war er blind für das Zögern des Ritters. »Ich kann es nicht abwarten, ihn Lady Emmalyn zu zeigen!«, sagte er aufgeregt zur Amme. »Ist sie schon zu dem Fest gegangen?«
»Nein, Wat. Ich fürchte, sie wird auch nicht hingehen«, sagte Bertie mit einem Seufzen. »Mylady ist müde heute Abend und ruht sich in ihrem Zimmer aus. Aber ich bin sicher, sie würde sich deinen Schatz gern morgen früh ansehen.«
Wat zog einen Flunsch, und seine Schultern sackten traurig herunter. Seine offensichtliche Enttäuschung zerrte an Emmalyns Herzen, ebenso wie der Gedanke, dass Cabal dem Jungen ein so liebevolles und überraschendes Zeichen der Beachtung geschenkt hatte.
»Das ist kein Grund, traurig zu sein, Kind. Du hast doch mich!« Bertie fasste nach Wats kleiner Hand. »Nun komm mit. Diese alten Beine juckt es, endlich zu tanzen!«
»Sir Cabal!«, rief Wat über die Schulter, als Bertie mit ihm flotten Schrittes davonging. »Mylord, kommt mit uns, bitte!«
Als spüre er, dass Emmalyn die Szene beobachtete, schaute Cabal dorthin, wo Emmalyn am Fenster stand. Die Schatten der Laibung und das dämmrige Licht im Zimmer verbargen sie sicherlich vor seinen Blicken, aber sie spürte ihn wie eine warme sanfte Zärtlichkeit. Sie wich tiefer in die Dunkelheit zurück und war voller Furcht vor dem, was sie vielleicht in seinen seelenvollen silbergrauen Augen sehen würde.
Wat rief noch einmal nach ihm, und mit einem letzten langen Blick auf den Wohnturm folgte Cabal dem Jungen und der Amme. Zusammen ging das Trio über den großen Burghof, Bertie und Cabal zur Rechten und Linken des Jungen, der zwischen ihnen hüpfte. Beinahe ein wenig wehmütig sah Emmalyn die drei davongehen, und sie fühlte sich einsam, noch bevor sie durch die Tore und ihrem Blick entschwunden waren.
Mehr als alles andere wollte Emmalyn in diesem Augenblick Teil der Fröhlichkeit sein. Sie wollte
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