Der dunkle Ritter (German Edition)
Dieser Mann war es, den sie in den letzten Tagen sehr vermisst hatte. Den sie nur in flüchtigen Augenblicken gesehen hatte, zum Beispiel in der Nacht, in der Minervas Fohlen geboren wurden, und dann wieder heute Abend, als er die Burgbewohner mit Geschichten voller Mut und Abenteuer unterhalten hatte.
Es war der Mann, für den sie tief zu empfinden begann.
»Ich möchte Euch für Eure Hilfe bei der Begegnung mit Hugh danken«, sagte sie leise und suchte nach einer Gemeinsamkeit, nach einem Weg, die Luft zwischen ihnen zu reinigen. »Was Ihr bei Fallonmours Garnison bewirkt habt, ist bemerkenswert.«
Sie hatte nicht erwartet, dass er spotten würde. Ebenso wenig hatte sie die plötzliche harte Anspannung seines Kinns erwartet, den unversöhnlichen Zug um seinen Mund. »Ich habe gar nichts getan«, sagte er brüsk. »Was Ihr gesehen habt, war zum großen Teil das, was auch Hugh gesehen hat: eine Illusion. Macht nicht den Fehler, an Trugbilder zu glauben, Emmalyn.«
»Ich glaube an Euch«, sagte sie leise voller Schmerz über den Spott in seiner Stimme. »Ihr seid kein Trugbild.«
»Nein?«, schoss er barsch zurück. »Ich dachte, wir hätten diese Sache in aller Deutlichkeit vor Kurzem geklärt, Mylady.«
Er ging an ihr vorbei, ging fort von dem warmen Licht des Feuers in den Schatten am Rand des Platzes. Emmalyn folgte ihm, auch wenn sie unsicher war, ob er das wollte. Doch sie war entschlossen, nicht zuzulassen, dass er sich allein in die Finsternis dessen zurückzog, was ihn fortgesetzt zu quälen schien.
»Warum zieht Ihr es vor zu glauben, dass Ihr ein schlechter Mensch seid, Cabal? Auch wenn Euch Dämonen beherrschen und Ihr Dinge getan habt, die Ihr bereut – warum könnt Ihr nicht zugeben, dass auch viel Gutes in Euch ist?« Er blieb stehen, sah sie aber nicht an. »Ich habe gesehen, dass Ihr mitfühlend seid, Mylord. Ich habe es gespürt. Ich weiß, dass Ihr Euch um vieles kümmert. Ich weiß, dass Ihr der Güte und der Gnade fähig seid, so wie dem Löwen gegenüber, dem Ihr auf Eurem Feldzug begegnet seid. Warum also versucht Ihr fortgesetzt, es zu leugnen?«
Er lachte leise, bevor er den Kopf in den Nacken legte und in den sternenübersäten Himmel blickte. »Ihr wollt, dass ich zugebe, dieses Tier befreit zu haben, nicht wahr, Mylady?«
»Ja.«
»Also gut, ich habe den Löwen befreit«, sagte er rundheraus. Er wandte sich ihr zu und sah sie an, doch anstatt sich wegen seines Geständnisses erleichtert zu fühlen, fühlte Emmalyn seltsamerweise ein Frösteln in sich. »Nachdem alle betrunken oder vor Erschöpfung eingeschlafen waren, habe ich mich ins Zelt des Gefängniswärters gestohlen und den Schlüssel genommen. Ich habe dieses ausgezehrte Tier freigelassen und seine Spuren verwischt, Emmalyn, aber ich war auch derjenige, der ihn hatte einsperren lassen. Ich war der, der ihn herausgefordert hatte, der ihn hatte bluten lassen, einfach nur, weil ich dazu in der Lage war. Es war meine Idee, ihn dem König zu schenken, es war mein Vorschlag, dass Richard die Möglichkeit gegeben werden sollte, das Tier zu töten.«
Emmalyn schlug das Herz ein wenig schwerer in der Brust bei seinen Worten. »Aber letztlich habt Ihr ihn auch wieder freigelassen«, sagte sie, um ihn daran zu erinnern, dass seine Menschlichkeit über seine dunkle Seite gesiegt hatte.
Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken und die Anspannung aus seinem Gesicht fortstreicheln, sie wollte durch eine freundliche Berührung und durch Verständnis die Qual aus seinen Augen verjagen. Sie wollte ihn umarmen, und sie wollte ihn trösten. Über alle Vernunft hinaus wünschte sie sich die Macht, ihn aus seiner Einsamkeit zu befreien – getragen von dem Wissen, dass er allein das Gleiche für sie tun könnte.
»Warum seid Ihr heute Abend hergekommen, Emmalyn?«, fragte er brüsk, eine Spur von Ungeduld lag in seiner Stimme. »Warum steht Ihr hier mit mir in der Dunkelheit, wenn Ihr doch wissen müsstet, dass Ihr nur um Haaresbreite davon entfernt seid, dass ich Euch in meine Arme reiße? Was wollt Ihr?«
»N-nichts«, stammelte sie und wusste sofort, dass er sie durchschaute. »Ich wollte nur am Fest teilnehmen.«
»Verkleidet und unsichtbar wie ein Geist«, sagte er spöttisch, aber sein Blick war alles andere als kühl. »Ich warne Euch, Mylady, Ihr wisst nicht, worauf Ihr euch einlasst.«
Emmalyn schluckte mühsam. Es gelang ihr nicht, seinem machtvollen Blick auszuweichen, und sie sah, wie sich das schwache Flackern des
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