Der dunkle Ritter (German Edition)
beherrschte, schaute Cabal noch einmal suchend in die vielen Hundert Gesichter. Er zerdrückte Emmalyns Umhang in seiner Faust, als das Gefühl der Angst immer mächtiger wurde.
Verdammt, wo konnte sie nur sein?
Emmalyn hielt sich abseits des Festtreibens und widerstand nur schwer dem übermächtigen Wunsch, einfach davonzulaufen. In ihrem Kopf drehte sich alles vom Lärm des Festes und dem Ansturm ihrer verwirrten Gefühle. Da sie keinen Umhang hatte, um ihre geröteten Wangen und ihre von Cabals Küssen geschwollenen Lippen zu verbergen, hoffte sie, neugierigen Blicken zu entgehen, indem sie im Schatten hinter den Hütten entlangging. Dabei schlug sie die Richtung zu dem Pfad ein, der sie zurück zur Burg bringen würde.
Heute Nacht hatte sie sich vor Cabal zur absoluten Närrin gemacht. Nicht nur, weil sie sich auf das Fest geschlichen hatte, um in seiner Nähe zu sein, nein, schlimmer noch, sie hatte ihn ermutigt – um einen Augenblick später ohne Entschuldigung und wie ein unerfahrenes Dorfmädchen die Flucht zu ergreifen. Emmalyn war zornig auf sich selbst, als sie an den Hütten und Feldern vorbeiging, die in der Nähe des Kornspeichers lagen.
Aus der Wollscheune drang der Klang gedämpfter Stimmen an ihr Ohr, der sie augenblicklich von ihrem inneren Aufruhr ablenkte und ihr Nutzbringenderes zum Nachdenken gab – wenn auch nicht weniger Ärgerliches. Wer hielt sich wohl um diese Zeit in der Scheune auf, vor allem während eines Festes?, fragte Emmalyn sich, während sie sich der Scheune näherte. Vielleicht waren es einige der Dorfjungen, die sich unbeobachtet glaubten und irgendwelchen Unsinn trieben, aber je näher sie dem Gebäude kam, desto genauer erkannte sie, dass die Stimmen nicht von Kindern stammten. Und dass dort drinnen vermutlich weitaus mehr im Gang war als nur ein harmloser Unsinn.
Emmalyn stand in der einen Spaltbreit weit offenen Tür und sah vier Männer, die sich in der dunklen Scheune zu schaffen machten. Sie sammelten die Bündel der wertvollen Vliese zusammen, die für den Markt geschnürt worden waren. Einige Bündel waren bereits mit dicken Schnüren zu großen Ballen zusammengebunden, um davongetragen – gestohlen – zu werden. Über alle Maßen zornig, stürmte Emmalyn in den Schuppen. »Was macht ihr da? Verschwindet sofort!«
Die Männer wandten sich um und starrten sie aus der Dunkelheit an. Zwei von ihnen lachten nur, aber der größte der vier ging auf sie zu. »Oho! Wen haben wir denn da?«
»Verschwindet, ihr alle, bevor ich euch hinauswerfen lasse!«
Diese Drohung rief bei den Männern ziemliche Erheiterung hervor, aber der, der sich Emmalyn genähert hatte, musterte sie mit abschätzigem Interesse. »Meine Güte, du bist aber ein hübsches Stück Wolle. Du bist wohl hergekommen, um ein bisschen zu rammeln, stimmt’s?«
Seine Gefährten lachten, aber Emmalyn sah, dass der, der das gesagt hatte, nicht lachte. Sie ignorierte die Einschüchterung und trat einen Schritt zurück, um die Entfernung zwischen sich und der Scheunentür zu verringern. »Ihr Männer habt kein Recht, hier zu sein«, sagte sie mit aller Autorität, die sie aufbringen konnte.
»Meine Güte, das ist ja mal ’ne hübsche kleine Wildkatze«, sagte einer der Eindringlinge, die sich jetzt wie ein Rudel Wölfe, das ein wehrloses Lamm umzingelte, auf Emmalyn zubewegten. Sie kamen immer näher, und ihre undurchdringliche Front zwang Emmalyn, aus der Mitte der Scheune in eine dunkle Ecke zurückzuweichen, aus der es keine Fluchtmöglichkeit geben würde.
»Für Diebstahl kann man gehängt werden … «, warnte sie mit zittriger Stimme.
»Aber nicht, wenn man wie wir angeheuert worden ist, Süße. Und überhaupt, wer sollte uns davon abhalten? Du etwa?«
»Was meinst du damit, dass ihr angeheuert worden seid?«, fragte Emmalyn verblüfft.
»Clive«, warnte einer der Diebe. »Arlo hat nichts davon gesagt, dass jemand verletzt werden soll. Lass sie in Ruhe.«
»Sie hat uns gesehen«, erwiderte der große Mann scharf. »Und jetzt hast du der Schlampe auch noch verraten, für wen wir arbeiten.«
Zu jeder Seite Emmalyns stand ein Mann. Der bedrohliche Riese namens Clive hatte sie von vorn angesprochen, während der letzte Dieb dicht hinter ihm stand und ein Stück Schnur von der Rolle abwickelte, die er in seinen Händen hielt. »Es s-sind vierzig bewaffnete Männer heute Nacht im Dorf«, stammelte Emmalyn. »Ich muss nur schreien, und alle sind im Nu hier. Jeder von ihnen ist in der Lage, eurer
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