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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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eine alles durchdringende Furcht und Kälte. Wie kalt ist es in diesem unterirdischen Gewölbe! – Das ist natürlich, es ist ja so tief. Und ich muss von dem Dreck loskommen. Auf Entzug gehen. Ich habe gesehen, wie andere Leute das durchgemacht haben. Jesus, dachte er und schloss die Augen.
    »Es mag ja wie Metaphysik klingen«, sagte einer der Beamten, »aber diese Mathematiker-Typen sagen, dass wir so dicht vor einer neuen Kosmologie stehen könnten, dass…«
    »Die Unendlichkeit der Zeit, die als Ewigkeit ausgedrückt wird«, ergänzte der andere. »Als eine Schleife. Wie eine Endlosschleife auf einer Tonbandkassette!«
     
    Er musste noch eine Stunde rumbringen, bis er wieder in Hanks Büro gehen sollte, um sich Barris’ Beweise anzuhören und sie zu überprüfen.
    Die Cafeteria des Gebäudes zog ihn irgendwie an, also ging er in diese Richtung, gemeinsam mit zahllosen anderen Menschen, Menschen in Uniform und Menschen in Jedermann-Anzügen und Menschen in Schlips und Kragen.
    In der Zwischenzeit wurde der Befund der medizinischen Beamten wohl zu Hank hochgebracht. Und würde dort vorliegen, wenn er hinkam.
    Zumindest gibt mir diese Frist Zeit zum Nachdenken, überlegte er, als er die Cafeteria betrat und sich in die Schlange der Wartenden einreihte. Zeit. Angenommen, die Zeit ist rund, wie die Erde. Du segelst nach Westen, um Indien zu erreichen. Alle lachen dich aus, aber dann liegt Indien vor dir, nicht hinter dir. In der Zeit – vielleicht liegt die Kreuzigung vor uns, während wir so dahinsegeln und glauben, sie liege hinter uns im Osten.
    Vor ihm eine Sekretärin. Enger blauer Sweater, kein BH, fast kein Rock. Es war ein angenehmes Gefühl, sie mit seinen Blicken auszuziehen, er starrte und starrte, und schließlich bemerkte sie ihn und rückte mit ihrem Tablett unbehaglich ein paar Schritte von ihm weg.
    Die Menschwerdung und die Wiederkunft Christi – ein und dasselbe Ereignis, dachte er. Zeit – eine Endlosschleife auf einer Tonbandkassette. Kein Wunder, dass sie sich so sicher waren: Er würde zurückkommen.
    Er betrachtete das Hinterteil der Sekretärin und dann fiel ihm ein, dass sie ihn ihrerseits unmöglich so sehen konnte, wie er sie sah, denn in seinem Anzug hatte er kein Gesicht und keinen Arsch. Aber sie spürt, dass ich sie im Visier habe, dachte er. Jede Braut mit solchen Beinen würde das spüren, bei jedem Mann.
    Wie auch immer, in diesem Anzug könnte ich ihr eins über den Kopf ziehen und sie bis in alle Ewigkeit bumsen. Wer würde je erfahren, wer es getan hat? Wie könnte sie mich je identifizieren?
    Was für Verbrechen man in diesen Anzügen begehen könnte! Und nicht nur Verbrechen, sondern noch üblere Sünden – Sachen eben, die man sonst nie tat, immer tun wollte, aber nie tat.
    »Miss«, sprach er das Mädchen im engen blauen Sweater an, »Sie haben verdammt hübsche Beine. Aber ich vermute, das wissen Sie längst, sonst würden Sie nicht einen Rock wie den da tragen.«
    Das Mädchen schnappte kurz nach Luft. »Oh, jetzt weiß ich, wer Sie sind«, sagte sie dann.
    »Wirklich?«
    »Pete Wickam.«
    »Wie?«
    »Sind Sie nicht Pete Wickam? Sie sitzen mir immer gegenüber – Sie sind’s doch, Pete?«
    »Bin ich der Typ, der immer dasitzt und Ihre Beine mustert und über Sie-wissen-schon-was nachgrübelt?«
    Sie nickte.
    »Habe ich eine Chance?«
    »Kommt ganz drauf an.«
    »Darf ich Sie mal abends zum Essen einladen?«
    »Vielleicht.«
    »Kann ich Ihre Telefonnummer haben? Damit ich Sie anrufen kann?«
    »Geben Sie mir lieber Ihre.«
    »Ich werde sie Ihnen geben, wenn Sie sich jetzt zu mir setzen. Was immer Sie haben möchten. Ich nehme Kaffee und einen Sandwich.«
    »Nein, da drüben sitzt eine Freundin von mir – sie wartet auf mich.«
    »Dann könnte ich mich doch zu Ihnen setzen, zu Ihnen beiden.«
    »Wir wollen was Persönliches besprechen.«
    »Okay.«
    »Tja, dann bis demnächst mal, Pete.« Sie ließ ihn stehen und ging mit ihrem Tablett, auf dem Besteck und eine Serviette lagen, weiter.
    Er holte sich Kaffee und Sandwich, suchte sich einen freien Tisch und setzte sich alleine hin. Dann ließ er kleine Stücke von dem Sandwich in den Kaffee fallen und starrte darauf.
    Sie werden mich von Arctor abziehen, entschied er. Verdammte Scheiße! Ich werde in Synanon oder im Neuen Pfad oder in einem anderen dieser Heime sitzen und auf Entzug sein – und sie werden jemand anders damit beauftragen, ihn zu beobachten und die Erkenntnisse über ihn auszuwerten. Irgendein

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