Der dunkle Schirm
mittlerweile fünfzig Milliarden Mal verkauft. Womöglich an denselben Kunden? Das Leben in Anaheim, Kalifornien, war ein einziger Werbespot, der sich verselbstständigt hatte und nun endlos wiederholt wurde. Nichts änderte sich, alles breitete sich nur weiter und weiter in Form von Neonschleim aus. Und was sich da immer weiter ausbreitete, schien schon vor langer Zeit unabänderlich festgelegt worden zu sein; es war, als ob sich die automatische Fabrik, die diese Objekte ausspuckte, nicht mehr abschalten ließ, nachdem man einmal auf den Startknopf gedrückt hatte. Der Aus-Schalter war blockiert. Wie aus dem Land Plastik wurde, dachte er und erinnerte sich an das alte Märchen ›Wie aus dem Meer Salz wurde‹. Eines Tages wird es gesetzlich vorgeschrieben sein, dass wir alle denselben McDonalds-Hamburger sowohl kaufen als auch wieder verkaufen müssen. Wir werden ihn in alle Ewigkeit von unseren Wohnzimmern aus hin und her verkaufen – und so nicht einmal mehr nach draußen gehen müssen.
Arctor sah auf die Uhr. Halb drei. Zeit, sich ans Telefon zu hängen und sich um Nachschub zu kümmern. Donna hatte ihm gesagt, dass er über sie einen guten Deal machen könne – schätzungsweise tausend Tabletten Substanz T, verschnitten mit Meth.
Sobald er den Stoff hatte, würde er ihn natürlich gleich an das Amt für Drogenmissbrauch weiterleiten, damit die Tabletten analysiert und dann vernichtet werden konnten. Oder was immer sie damit vorhaben mochten. Sie vielleicht selber einpfeifen, wie es ein Gerücht behauptete. Oder sie wieder verkaufen… Aber Arctor kaufte nicht von Donna, um sie wegen Dealens hochgehen zu lassen; er hatte schon oft bei ihr Stoff gekauft und sie nie festgenommen. Darum ging es ihm gar nicht. Warum sollte man auch einen Gelegenheitsdealer hopsnehmen, eine Braut, die es cool fand, mit Drogen zu handeln? Die Hälfte aller Rauschgiftermittler in Orange County wusste, dass Donna dealte, und kannte sie vom Sehen. Donna dealte sogar manchmal auf dem Parkplatz des 24-Stunden-Ladens, direkt vor der automatischen Kamera, die die Polizei dort installiert hatte – und sie war bisher immer damit durchgekommen. Irgendwie konnte Donna nie auf die Schnauze fliegen, ganz egal, was sie tat und wer immer sie dabei beobachten mochte.
Arctors sämtliche Drogenkäufe bei Donna dienten letztlich alle nur einem übergeordneten Ziel – nämlich dem, über Donna die Spur zu dem Lieferanten aufzunehmen, von dem sie ihren Stoff bezog. Eben darum nahmen die Mengen, die er von ihr kaufte, immer mehr zu. Anfangs hatte er sie nur mal beschwatzt – wenn das das richtige Wort dafür war –, ihm mit zehn Tabletten auszuhelfen. Nur ein persönlicher Gefallen, unter Freunden… Später hatte er, sozusagen als Wiedergutmachung, ein Päckchen mit hundert Tabletten gekauft und dann gleich drei Päckchen auf einmal. Inzwischen konnte er, wenn er Glück hatte, tausend Tabletten auf einen Schlag herausholen, was zehn Päckchen entsprach. Und bald würde er dazu übergehen, regelmäßig in solchen Mengen zu kaufen, dass Donna finanziell nicht mehr mithalten konnte – sie würde ihrem Lieferanten nicht mehr so viel Geld vorschießen können, dass dieser sich noch auf das Geschäft einließ. Also würde sie in der Klemme sitzen, statt groß abzusahnen. Natürlich würden sie feilschen: Donna würde darauf bestehen, dass Arctor wenigstens einen Teil des Geldes im Voraus bezahlte; er würde das aber ablehnen. Sie wiederum würde die Summe allein aus ihren Mitteln nicht aufbringen können, die Zeit würde knapp werden – und selbst bei einem so kleinen Deal würde das große Zittern beginnen, würden alle Beteiligten ungeduldig werden. Donnas Lieferant – wer immer das auch sein mochte – würde wie auf heißen Kohlen sitzen, seine Ware nicht loswerden können und langsam ausflippen, weil Donna nichts von sich hören ließ. Wenn alles nach Plan verlief, würde Donna schließlich aufgeben und zu Arctor und ihrem Lieferanten sagen: Wisst ihr was? Ihr beide dealt besser direkt miteinander. Ich kenne euch beide, ihr seid coole Typen, für die ich die Hand ins Feuer legen würde.
Ich werde einen Ort und eine Zeit festlegen und ihr zwei könnt selbst Kontakt miteinander aufnehmen. Also, Bob, von jetzt an kannst du direkt kaufen, wenn du weiterhin in solchen Mengen kaufen willst… Genau das würde sie sagen, denn wer wie Bob Arctor so viel Stoff brauchte, wollte mit Sicherheit selbst als Profi-Dealer ins Geschäft einsteigen; die
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