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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mehr so weitermachen. Dieser Ort ist meine einzige Hoffnung… Ich hatte einen Freund, der auch hierher kommen wollte. Jedenfalls hat er mir das erzählt. Ein Schwarzer, um die dreißig, gebildet, sehr höflich und…«
    »Du wirst die Familie später kennen lernen«, unterbrach ihn das Mädchen. »Wenn du dich für die Aufnahme qualifizierst. Aber zuerst musst du unseren Anforderungen genügen, verstehst du? Und die erste ist dein aufrichtiges Bedürfnis.«
    »Das habe ich. Ein aufrichtiges Bedürfnis.«
    »Du musst schon übel dran sein, um hier reingelassen zu werden.«
    »Das bin ich.«
    »Wie weit ist es denn schon gekommen? Bei welcher Dosis bist du mittlerweile angelangt?«
    »Dreißig Gramm am Tag.«
    »Pur?«
    »Yeah.« Arctor nickte. »Ich habe immer eine Zuckerdose voll davon auf dem Tisch.«
    »Dann wird es ziemlich heftig werden. Du wirst die ganze Nacht über dein Kissen zernagen, bis die Federn nur so fliegen – überall werden Federn sein, wenn du aufwachst. Und du wirst Anfälle haben und Schaum vor dem Mund. Und dich beschmutzen, wie kranke Tiere es tun. Bist du dazu bereit? Du musst verstehen: Von uns bekommst du hier nichts.«
    »Ja, klar.« Mann, ist das hier ein Horrortrip, dachte er. Er fühlte sich gereizt, irritiert. »Mein Kumpel, der Schwarze. Hat er’s geschafft, hierher zu kommen? Ich hoffe nur, dass ihn die Schweine nicht auf dem Weg hierher gekascht haben – er war so weggetreten, dass er kaum noch navigieren konnte. Er dachte…«
    »Es gibt keine Zweierbeziehungen im Neuen Pfad«, sagte das Mädchen. »Das wirst du noch lernen.«
    »Yeah, aber hat er’s bis hierhin geschafft?« Arctor begriff, dass er nur seine Zeit verschwendete. Verdammt, dachte er, das ist ja noch schlimmer als bei uns. Sie wird den Teufel tun, mir was zu sagen. Das ist ihre Politik, wie ein eiserner Vorhang. Wenn jemand erst mal in eines dieser Zentren hineingeht, dann ist er für die Welt draußen tot. Spade Weeks könnte jetzt, in diesem Augenblick, hinter der Trennwand sitzen, uns zuhören und sich den Arsch ablachen. Oder vielleicht ist er überhaupt nicht hier. Sogar mit einem Haftbefehl lässt sich hier nichts erreichen. Die Leute vom Neuen Pfad haben den Dreh raus, wie sie mit ihrer Verzögerungstaktik die Polizisten so lange hinhalten können, bis der Gesuchte durch eine Seitentür verschwunden ist oder sich sonstwie dünne gemacht hat. Schließlich setzt sich das Personal selbst aus ehemaligen Süchtigen zusammen. Und keine Polizeibehörde riskiert, eine Razzia in einem der Rehabilitationszentren durchzuführen – das würde zu einem Aufschrei in der Öffentlichkeit führen.
    Zeit, Spade Weeks endgültig abzuhaken, entschied Arctor, und mich zu verdünnisieren. Kein Wunder, dass sie mich noch nie zuvor hierher geschickt haben, mit den Leuten hier kommt man einfach nicht klar. Für mich heißt das allerdings, dass ich meinen derzeitigen Hauptjob verloren habe – Spade Weeks existiert nicht mehr.
    Ich werde also Mr. F Bericht erstatten und einen neuen Auftrag abwarten. Zur Hölle damit! Er erhob sich steifbeinig und sagte: »Ich mach lieber wieder ’n Abflug.« Die beiden Typen waren jetzt zurückgekommen, einer von ihnen mit einem Becher Kaffee, der andere mit einer Art Heft in der Hand, wahrscheinlich eine vom Neuen Pfad herausgegebene Informationsbroschüre.
    »Mann, du willst dich echt verpissen?« Die Stimme des Mädchens war voller Verachtung. »Hast wohl die Hosen so voll, dass du nicht mal bei deiner Entscheidung bleiben kannst, aus dem ganzen Dreck rauszukommen? Du willst auf dem Bauch hier wieder rauskriechen?« Alle drei starrten ihn zornig an.
    »Vielleicht ’n andermal«, sagte Arctor und ging in Richtung Tür. Er wollte bloß noch hier raus.
    »Du beschissener Doper«, schleuderte ihm das Mädchen nach. »Kein Mumm in den Knochen, ’n ausgelutschtes Gehirn, sonst nichts. Kriech raus, ja, kriech nur – das ist einzig und allein deine Entscheidung.«
    »Ich komme zurück.« Die Atmosphäre hier war zu viel für Arctor – und sie war noch schlimmer geworden, weil er jetzt abhaute.
    »Wir wollen dich dann vielleicht hier gar nicht mehr haben, du Schwächling«, sagte einer der Typen.
    »Du wirst betteln müssen«, sagte der andere. »Du wirst betteln und winseln müssen. Und sogar dann wollen wir dich vielleicht nicht mehr haben.«
    »Eigentlich wollen wir dich schon jetzt nicht mehr haben«, sagte das Mädchen.
    An der Tür blieb Arctor stehen und wandte sich zu seinen Anklägern um.

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