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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Rauschgiftbesitz ist in Kalifornien ein Kapitalverbrechen – Pech für den Spießer, seine Frau und seine Kinder.
    Kein anderer Undercover-Rauschgiftermittler in ganz Orange County hätte Weeks so sicher auf den ersten Blick erkannt wie Arctor: ein fetter schwarzer Kerl, so Mitte dreißig, mit einem einzigartig langsamen, eleganten Sprachstil, der den Eindruck erweckte, als hätte Weeks ihn sich in irgendeiner Snobby-Schule in England angewöhnt. In Wirklichkeit kam Weeks aber aus den Slums von L.A. und hatte seine besondere Diktion vermutlich von Lehrbändern, die er sich aus irgendeiner College-Bibliothek geliehen hatte.
    Weeks liebte es, sich dezent, aber gediegen zu kleiden, als sei er ein Arzt oder Rechtsanwalt. Oft hatte er einen teuren Diplomatenkoffer aus Alligatorenhaut bei sich und trug eine Brille mit Horngestell. Und für gewöhnlich war er bewaffnet – mit einer Schrotflinte, für die er extra einen italienischen Pistolengriff anfertigen hat lassen. Wirklich sehr smart, sehr stilvoll. Aber im Neuen Pfad hat man ihm all diese auserlesenen Dinge eins nach dem anderen weggenommen und jetzt lief er wie jeder andere Patient hier in Klamotten aus der letzten Altkleidersammlung herum, während sein Diplomatenköfferchen in irgendeinem Schrank verstaubte.
    Arctor öffnete die massive Holztür und trat ein.
    Ein düsteres Foyer, zu seiner Linken eine Sitzecke, in der ein paar Burschen herumlungerten und lasen. Eine Tischtennisplatte im Hintergrund, dann eine Küche. Slogans an den Wänden, einige handgemalt und einige gedruckt: DAS EINZIGE WIRKLICHE VERSAGEN IST, SICH ANDEREN ZU VERSAGEN und so weiter. Wenig Lärm, wenig Aktivität. Der Neue Pfad unterhielt eigene Werkstätten und kooperierte auch mit normalen Firmen; vermutlich waren also die meisten der Insassen, Männer wie Frauen, gerade an ihren Arbeitsstellen in den Perückenmachereien, Tankstellen und Kugelschreiberfabriken. Arctor stand da und wartete.
    »Ja?« Ein hübsches Mädchen erschien. Sie trug einen extrem kurzen blauen Baumwollrock und ein T-Shirt, auf dem zwischen den Brustwarzen DER NEUE PFAD stand.
    Mit krächzender kraftloser Stimme sagte Arctor: »Ich bin… total down. Ich krieg’s nicht mehr auf die Reihe. Kann ich mich irgendwo hinsetzen?«
    »Klar.« Das Mädchen winkte und zwei farblose, unbeteiligt wirkende Burschen tauchten auf. »Bringt ihn irgendwohin, wo er sich hinsetzen kann. Und holt ihm einen Kaffee.«
    Was für ein Horror, dachte Arctor, während er sich von den beiden Typen zu einer schäbig aussehenden Couch schleifen ließ. Deprimierende Wände, hässliche Farben. Wohl eine Spende – der Neue Pfad konnte sich nur auf der Grundlage solcher Spenden überhaupt über Wasser halten; es war schwierig, Unterstützung von der öffentlichen Hand zu erhalten. »Danke«, röchelte er zittrig, als wäre es eine überwältigende Erleichterung, hier zu sein und zu sitzen. »Wow.« Er versuchte, sein Haar glatt zu streichen, tat so, als könnte er das nicht, und gab auf.
    Das Mädchen, das jetzt direkt vor ihm stand, sagte: »Du siehst wie ausgekotzt aus, Mister.«
    »Yeah«, stimmten die beiden Burschen in einem überraschend lebhaften Tonfall zu. »Wie ein Haufen Scheiße. Was hast du eigentlich gemacht? In deiner eigenen Scheiße gelegen?«
    Arctor blinzelte.
    »Wer bist du?«, fragte einer der Typen.
    »Du siehst doch, was er ist«, sagte der andere. »Abschaum von einer beschissenen Müllhalde. Sieh dir das mal an.« Er zeigte auf Arctors Haare. »Läuse. Darum juckt’s dich, Jack.«
    Das Mädchen, ruhig, über allem stehend, aber nicht eben herzlich, meldete sich wieder zu Wort: »Warum bist du hierher gekommen, Mister?«
    Arctor dachte: Weil ihr hier drinnen einen ganz dicken Fisch habt. Und ich bin der Mann. Und ihr seid dämlich, ihr alle. Er sprach das natürlich nicht laut aus, sondern murmelte stattdessen kriecherisch, was von ihm erwartet wurde: »Sagten Sie nicht…«
    »Ja, du kriegst Kaffee.« Das Mädchen ruckte mit dem Kopf und einer der Burschen lief los zur Küche.
    Eine Pause. Dann beugte sich das Mädchen zu ihm hinunter und berührte sein Knie. »Du fühlst dich ziemlich mies, was?«
    Er konnte nur nicken.
    »Du empfindest Scham und Ekel vor dem Ding, das du jetzt bist.«
    »Yeah.«
    »Und du ekelst dich vor der Umweltverschmutzung, die du in dir selbst angerichtet hast. Du bist eine Jauchegrube geworden. Steckst dir Tag für Tag die Nadel in den Arsch, pumpst deinen Körper voll mit…«
    »Ich konnte nicht

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