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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mussten.
     
    Bob Arctor hatte von Hank (der den offiziellen Decknamen ›Mr. F‹ trug) den Auftrag erhalten, das örtliche Zentrum des Neuen Pfades gründlich durchzuchecken, um einen Dealer ausfindig zu machen, den er schon seit längerem überwachte und der urplötzlich von der Bildfläche verschwunden war.
    Wenn ein Dealer merkte, dass man ihn bald hochnehmen würde, suchte er manchmal Zuflucht in den Rehabilitationszentren für Drogenabhängige, also etwa in Syanon, Center Point und X-Kalay oder auch beim Neuen Pfad. Er gab sich dann als Süchtiger aus, der Hilfe suchte. War er erst einmal drinnen, nahm man ihm alles ab, was ihn hätte identifizieren können – von seiner Brieftasche bis zu seinem Namen. Das war eine flankierende Maßnahme, um den Aufbau einer neuen, nicht drogenorientierten Persönlichkeit zu erleichtern. Im Zuge dieses Auslöschungsprozesses verschwand vieles, was die Polizeibehörden brauchten, um eine gesuchte Person ausfindig zu machen. Später dann, wenn die unmittelbare Gefahr vorüber war, tauchte der Dealer wieder draußen auf – und ging seiner früheren Beschäftigung nach.
    Wie oft dies geschah, wusste niemand. Zwar versuchten die Angestellten der Rehabilitationszentren, herauszufinden, ob sie auf diese Weise ausgenützt wurden, aber das gelang ihnen nur in den seltensten Fällen. Einem Dealer, dem draußen vierzig Jahre Haft drohten, fiel schnell eine gute Geschichte ein, die er den Leuten in den Zentren – die darüber zu entscheiden hatten, ob er aufgenommen wurde oder nicht – verklickern konnte. Schließlich litt er wirklich unter Todesangst – wenn er nur an die vierzig Jahre im Knast dachte.
    Während er langsam den Katella-Boulevard hinauffuhr, hielt Arctor Ausschau nach dem Schild, das auf das hölzerne Gebäude, ein ehemaliges Privathaus, hinwies, in dem jetzt die energischen Leute vom Neuen Pfad ihr regionales Zentrum unterhielten. Es machte ihm zwar keinen Spaß, sich durch einen Bluff Zugang zu dieser Institution zu verschaffen – indem er vortäuschte, er sei ein Drogenkranker, der dringend Hilfe brauchte –, aber das war der einzige Weg, um hineinzukommen. Wenn er sich als Agent des Amtes für Drogenmissbrauch zu erkennen gab, der jemanden suchte, würden die Leute vom Neuen Pfad – jedenfalls die meisten von ihnen – ganz automatisch eine Art Ausweichmanöver einleiten. Sie wollten nicht, dass der Mann Mitgliedern ihrer Familie auf die Zehen trat, und eigentlich konnte er es ihnen nicht einmal verübeln. Alle ehemaligen Süchtigen sollten im Rehabilitationszentrum sicher sein – und das Personal der Zentren fühlte sich eben für die Sicherheit derer verantwortlich, die sich vertrauensvoll in ihre Obhut begaben. Andererseits war der Dealer, hinter dem Arctor her war, ein mit allen Wassern gewaschener Ganove, und wenn er ein Rehabilitationszentrum in dieser Weise missbrauchte, lief das den berechtigten Interessen aller Beteiligten zuwider. Weder Arctor noch Mr. F, der ihn ursprünglich auf Spade Weeks angesetzt hatte, hätten angesichts dieser Sachlage anders entscheiden können. Weeks war schon seit Ewigkeiten die Nummer eins auf Arctors Liste gewesen, bisher allerdings ohne greifbare Ergebnisse. Und nun war Weeks spurlos verschwunden – und das seit zehn Tagen.
    Schließlich entdeckte Arctor das Hinweisschild, stellte seinen Wagen auf dem kleinen Parkplatz ab, den sich der Neue Pfad mit einer Bäckerei teilte, und ging schwankend den Weg zur Pforte hinauf, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben – das heulende Elend in Person, ganz offensichtlich bis zum Stehkragen voll mit schlechtem Dope und down wie ’n Weltmeister.
    Wenigstens machte ihm die Abteilung keine Vorwürfe, dass er Spade Weeks verloren hatte. Das bewies eben nur, wie aalglatt der Typ war. Eigentlich war Weeks eher ein Runner als ein Dealer; er brachte in unregelmäßigen Zeitabständen Lieferungen mit harten Drogen von Mexiko rauf bis irgendwo kurz vor L.A. wo die Käufer sich trafen und die Ware aufteilten. Weeks’ Methode, die Lieferungen heimlich über die Grenze zu bringen, war wirklich clever: Er befestigte den Stoff mit Klebestreifen an der Unterseite des Wagens irgendeines Spießertypen, der vor ihm am Grenzübergang wartete, verfolgte den Kerl dann bis auf die US-Seite und schoss ihn bei der ersten passenden Gelegenheit nieder. Sollten die US-Grenzer das Rauschgift unter dem Wagen des Spießers entdecken, dann wurde eben der Spießer einkassiert und nicht Weeks.

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