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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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und mit deiner Pistole rumballerst. Hast du nicht mit Bob ausgemacht, dass er dir die überfällige Miete streicht, wenn du…«
    »Wie gutes Bier«, unterbrach ihn Barris, »braucht auch die gewissenhafte Rekonstruktion einer beschädigten elektronischen Vorrichtung…«
    »Na wenn das so ist, dann schieß den großartigsten Elf-Cent-Schalldämpfer aller Zeiten noch mal ab«, sagte Luckman und rülpste.
     
    Jetzt haben sie mich am Arsch, dachte Robert Arctor.
    Er lag auf dem Rücken im trüben Licht seines Schlafzimmers und starrte grimmig ins Nichts. Unter dem Kopfkissen spürte er seinen Polizei-Revolver, Kaliber 32. Nach dem Knall, den Barris’ 22er im Hinterhof verursacht hatte, hatte er reflexartig seine eigene Knarre unter dem Bett hervorgezogen – eine Sicherheitsmaßnahme gegen alle nur vorstellbaren Gefahren, er hatte gar nicht erst groß darüber nachgedacht.
    Aber die 32er unter dem Kopfkissen nützte nicht viel gegen derartige indirekte Angriffe wie etwa die Sabotage seines kostbarsten und teuersten Besitzes. Gleich nachdem er von der Besprechung mit Hank heimgekommen war, hatte er all die anderen Hilfsmittel überprüft und festgestellt, dass sie okay waren – auch der Wagen, in einer Situation wie dieser musste man stets zuerst den Wagen überprüfen. Was immer hier auch vorgehen mochte und von wem auch immer es ausging – es war heimtückisch und link. An der Peripherie seines Lebens lauerte irgendein feiger, hinterhältiger Freak, der sich nicht traute, ihm offen entgegenzutreten, sondern ihn aus dem Verborgenen heraus fertig zu machen versuchte. Eigentlich gar kein richtiger Mensch, sondern eher ein als Mensch getarntes Symptom ihres ganzen Lebens hier.
    Früher einmal hatte er nicht so gelebt wie jetzt. Dieses Jetzt bestand aus einer 32er unter seinem Kopfkissen, einem Verrückten, der aus irgendwelchen Gründen in seinem Hinterhof eine Pistole abfeuerte, und einem anderen Idioten (womöglich mit dem im Hinterhof identisch), den ein Kurzschluss in seinem Hirn dazu getrieben hatte, auch das wertvolle Cephskop kurzzuschließen, das die Bewohner dieses Hauses – und alle ihre Freunde – so schätzten. Ja, früher einmal hatte Bob Arctor ein anderes Leben geführt. Da waren eine Ehefrau gewesen, die sich in nichts von anderen Ehefrauen unterschied, zwei kleine Töchter, ein Haushalt, der täglich gefegt und geputzt und ausgeleert wurde, und nichtssagende Zeitungen, die gleich vom Briefkasten zur Mülltonne getragen wurden, nur manchmal gelesen. Aber eines Tages, während er gerade den Popcornautomaten reinigte, hatte Arctor sich den Kopf an der Ecke eines Küchenschränkchens gestoßen und dieser Schnitt in seiner Kopfhaut, dieser unerwartete, unverdiente Schmerz, hatte aus irgendeinem Grund die Spinnweben zerrissen. Und er begriff mit wundersamer Klarheit, dass er nicht das Hängeschränkchen hasste – er hasste seine Ehefrau, seine Töchter, das Haus, den Hinterhof, den elektrischen Rasenmäher, die Garage, die Zentralheizung, den Vorgarten, den Zaun, dieses ganze beschissene Heim und jeden Einzelnen, der darin lebte. Er beschloss, sich scheiden zu lassen, er wollte sich von all dem lösen. Und das hatte er auch getan, bald darauf. Und dann war er Schritt für Schritt in ein neues Leben eingetreten, dem es an all diesen Dingen mangelte.
    Vielleicht hätte er diese Entscheidung bedauern sollen – er hat es nie getan. Sein früheres Leben war ohne jede Aufregung gewesen, ohne jedes Abenteuer. Es war zu sicher gewesen. Alle Teile, aus denen sich dieses Leben zusammensetzte, lagen sichtbar vor ihm. Nichts würde sich jemals ändern. Sein Leben, so hatte er einmal überlegt, war wie ein kleines Boot aus Plastik, das ewig weitersegeln würde, ohne Zwischenfälle, bis es schließlich sank – was für alle eine Erlösung war.
    In der dunklen Welt dagegen, in der er nun lebte, strömten dauernd hässliche, überraschende Dinge auf ihn ein – und gelegentlich gab es auch einmal ein winziges, wunderbares Ding. Er konnte mit nichts fest rechnen, jeder Tag bot neue Überraschungen. So wie die böswillige Beschädigung seines Altec-Cephalochromoskops, um das herum er den Vergnügungsteil seines Tagesablaufs errichtet hatte, den Abschnitt des Tages, in dem sie sich alle entspannten und aus dem sie innere Ruhe und Zufriedenheit gewannen. Rational betrachtet, ergab es für niemanden Sinn, das alles zu zerstören. Aber nicht viel in diesen langen, dunklen Abendschatten war wirklich rational, zumindest nicht

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