Der dunkle Schirm
Sonnenuntergang. Wenn er zu Hause ankommt, isst er etwas und geht dann bald wieder weg, wobei er oft Gründe angibt, die Vorwände sein könnten. Zuweilen verlässt er das Haus sogar in großer Hast. Aber er bleibt nie sehr lange weg.« Hank – genauer gesagt: der Jedermann-Anzug – blickte auf und sah Fred an. »Haben Sie das schon einmal beobachtet? Können Sie die Angaben unseres Informanten bestätigen? Lassen sich irgendwelche Schlüsse daraus ziehen?«
»Vermutlich geht er zu seinem Mädchen – Donna.«
»Vermutlich, hm. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie so etwas genau wissen.«
»Natürlich ist’s Donna. Er ist drüben bei ihr und vögelt Tag und Nacht mit ihr rum.« Fred fühlte sich zunehmend unbehaglich. »Aber ich werd’s mal überprüfen und Sie darüber informieren, was ich herausfinde. Wer ist eigentlich dieser Informant? Vielleicht will da einer Arctor eins reinwürgen.«
»Wissen wir nicht. Kam per Telefon. Wir haben nicht mal 'nen Stimmabdruck – der Bursche hat 'ne elektronische Abschirmung benutzt, wahrscheinlich selbst zusammengebastelt.« Hank kicherte, ein seltsam fremdartiges Geräusch, dieses Kichern, das da aus dem Mikrophon des Anzugs schepperte. »Hat aber funktioniert.«
»Mann, das war doch bestimmt bloß dieser ausgetickte Acid-Typ Jim Barris, der aus irgendeinem Grund sauer auf Arctor ist und ihn jetzt reinreiten will. Barris hat während seiner Zeit beim Militär etliche Elektronikkurse belegt und dazu noch einen Kurs für die Wartung von schwerem Gerät. Ich an Ihrer Stelle würde ihm nicht mal glauben, wenn er Ihnen die Uhrzeit sagt.«
Hank schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, ob es Barris war. Und außerdem ist er vielleicht nicht nur ein ausgetickter Acid-Typ. Wir haben mehrere Leute auf die Sache angesetzt. Allerdings haben wir keine Erkenntnisse gewonnen, die für Sie von Nutzen sein könnten – noch nicht.«
»Auf jeden Fall war es einer von Arctors Freunden.«
»Ja, der Tipp ist zweifellos ein Racheakt. Diese verrückten Doper – rufen uns jedes Mal an, wenn sie aufeinander wütend sind. Mir schien es tatsächlich so, als würde er Arctor sehr gut kennen. Also gehört er zu seinem engsten Bekanntenkreis.«
»Ein netter Kerl«, murmelte Fred verbittert.
»Tja, auf diese Weise kommen wir nun mal an unsere Informationen. Wo liegt der Unterschied zu dem, was Sie machen?«
»Ich tu’s nicht, weil ich einen persönlichen Hass gegen jemanden hege.«
»Und warum tun Sie’s dann?«
Nach einer langen Pause erwiderte Fred: »Ich habe keine Ahnung.«
»Sie haben doch jetzt nicht mehr mit Weeks zu tun. Ich werde Sie also dazu einteilen, in erster Linie Bob Arctor zu überwachen. Hat er einen zweiten Vornamen? Er verwendet die Initiale…«
Fred gab ein krampfhaftes, roboterartiges Geräusch von sich. »Warum ausgerechnet Arctor?«
»Er bezieht Geld aus einer unbekannten Quelle, geht also einer unbekannten Nebentätigkeit nach. Und offenbar macht er sich durch seine Aktivitäten Feinde. Wie lautet Arctors zweiter Vorname?« Hanks Stift schwebte geduldig über dem Papier.
»Postlethwaite.«
»Wie wird das buchstabiert?«
»Weiß ich nicht. Scheiße noch mal, weiß ich nicht.«
»Postlethwaite.« Hank schrieb ein paar Buchstaben hin. »Woher kommt dieser Name?«
»Ein walisischer Name.« Fred konnte kaum noch verstehen, was Hank sagte; in seinen Ohren verschmolz alles zu einem großen Rauschen – und auch seine übrigen Sinne versagten jetzt einer nach dem anderen.
»Sind das nicht die Leute, die immer dieses Lied über die Männer aus Harlech singen? Was ist Harlech? Eine Stadt irgendwo?«
»Harlech ist der Ort, wo im Jahre 1468 der heldenhafte Widerstand gegen die Yorkisten…« Fred brach ab. Scheiße, dachte er. Das ist ein Albtraum.
»Moment, ich nehme das zu den Akten.« Der Stift flog über das Papier.
Fred räusperte sich und fragte: »Bedeutet das, dass Sie Arctors Haus und seinen Wagen verwanzen lassen?«
»Ja, mit dem neuen Holo-System. Das ist wesentlich leistungsfähiger und außerdem haben wir im Augenblick sowieso mehr Geräte zur Verfügung, als angefordert werden. Sie wollen doch sicher die Ausdrucke aller Aufzeichnungen haben?« Hank notierte sich auch das.
»Ich nehme, was ich kriegen kann.« Fred fühlte sich von den Vorgängen um sich herum vollständig isoliert; er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass diese Besprechung endlich vorbei war. Und er dachte: Wenn ich bloß ein paar Tabletten einpfeifen könnte…
Auf der anderen
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