Der dunkle Schirm
dem Boden der Küche, während Barris wickelte und wickelte, sich vornüber beugte wie eine alte Dame, die gänzlich in ihrer Strickarbeit aufgeht; er lächelte still vor sich hin, wiegte sich vor und zurück, lächelte, lächelte… und dann warf er plötzlich die Hasch-Pfeife weg, stand auf, ging in die Küche und starrte auf Luckmans reglose Gestalt, auf das zersplitterte Glas, auf all die Töpfe und Pfannen und zerbrochenen Teller. Und sein Gesicht verzog sich zu einer höhnischen Parodie plötzlichen Erschreckens: Er riss sich die Sonnenbrille herunter, die Augen grotesk geweitet, flatterte wie ein aufgescheuchter Vogel mit den Armen, rannte ziellos hin und her, wieselte dann auf Luckman zu, hielt ein paar Schritte von ihm entfernt inne, rannte zurück, keuchte heftig.
Er stimmt sich ein, begriff Fred. Er bereitet sich darauf vor, seine Ich-habe-gerade-etwas-Schreckliches-entdeckt-Nummer abzuziehen – so, als hätte er gerade erst die Szene betreten. Barris krümmte sich zusammen, dunkelrot im Gesicht, schwer atmend vor Kummer, und sprang dann zum Telefon. Er riss es mit einem Ruck hoch, ließ es fallen, hob es mit zitternden Fingern wieder auf… Er hatte gerade entdeckt, dass Luckman dort in der Küche einen entsetzlichen, einsamen Tod gestorben war, erstickt an einem Essensbrocken, und niemand war da gewesen, der ihn hätte hören oder ihm gar hätte helfen können. Und nun versuchte Barris verzweifelt, Hilfe herbeizurufen. Natürlich zu spät.
Langsam, mit hoher, gepresster Stimme sprach Barris in das Telefon: »Vermittlung, können Sie mir sagen, wo ich anrufen muss, wenn ich einen dieser speziellen Rettungswagen brauche? Ich meine, einen von denen, die… wie heißt das doch gleich? Wiederbelebungsversuche? Künstliche Beatmung?«
»Sir«, quietschte es aus dem Lautsprecher dicht neben Fred, »bekommt da jemand keine Luft mehr? Soll ich…«
»Ich glaube, es handelt sich um einen Herzstillstand«, erwiderte Barris, nun mit einer tiefen, ruhigen und zugleich drängend und professionell klingenden Stimme, einer Stimme, der man sofort anhörte, dass er sich über den tödlichen Ernst der Lage und die Knappheit der noch verbleibenden Zeit im Klaren war. »Entweder das – oder er hat versehentlich etwas in die Luftröhre…«
»Wie ist die Adresse, Sir?«
»Die Adresse? Moment, die Adresse ist…«
In diesem Moment begann Luckman plötzlich wieder krampfhaft zu atmen. Ein konvulsivisches Zittern durchlief seinen Körper – dann würgte er das Zeug, das seine Kehle verstopfte, heraus und öffnete die Augen, die verquollen und verwirrt ins Leere starrten.
»Ah, es scheint ihm jetzt wieder besser zu gehen«, sagte Barris in das Telefon. »Vielen Dank. Offenbar braucht er jetzt doch keine Hilfe mehr.« Rasch legte er den Hörer auf.
»Mann«, murmelte Luckman undeutlich, während er sich aufsetzte. »Scheiße.« Er schnaubte, hustete, schnappte nach Luft.
»Wieder okay?«, fragte Barris mit besorgter Miene.
»Ich muss was in die Luftröhre gekriegt haben. War ich ohnmächtig?«
»Das nicht – du bist allerdings in einen anderen Bewusstseinszustand übergewechselt. Für ein paar Sekunden. Einen Alpha-Zustand womöglich.«
»Gott! Ich hab mich voll gesaut!« Obwohl er vor Schwäche zitterte, schaffte Luckman es doch irgendwie, auf die Füße zu kommen. Schließlich stand er da, an die Wand gelehnt, vor und zurück schwankend. »Ich hab mich wirklich nicht mehr im Griff«, murmelte er angeekelt. »Wie ein alter Weinsäufer.« Mit unsicheren Schritten tappte er in Richtung Ausguss, um sich zu waschen.
Fred, der das alles beobachtete, spürte, wie die in ihm aufgestaute Angst langsam verschwand. Luckman würde bald wieder okay sein. Aber Barris! Was für eine Art von Mensch war das bloß? Luckman hatte sich nicht dank, sondern trotz seiner ›Hilfe‹ erholt. Was für ein Freak, dachte Fred, was für ein beschissener Freak! Was muss eigentlich in seinem Kopf los sein, dass er sich in einer solchen Situation so verhält?
»Man kann durch so etwas abkratzen«, sagte Luckman jetzt, während er sich Wasser ins Gesicht spritzte.
Barris lächelte.
»Ein Glück, dass ich so eine gute Konstitution hab.« In großen Schlucken leerte Luckman eine Tasse mit Wasser. »Was hast du eigentlich gemacht, als ich da lag? Dir einen runtergeholt?«
»Du hast doch gesehen, wie ich telefoniert habe«, erwiderte Barris. »Ich wollte einen Rettungswagen rufen. Ich habe sofort gehandelt, als…«
»Ach, Scheiße«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher