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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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energisch, als er zurückkam. Die zehn Tabs waren nirgendwo zu sehen – sie hatte sie schon ihrem Vorrat hinzugefügt. »Wegen der Platten, meine ich?«
    »Sie nehmen dich fest«, erwiderte er, »wenn du welche klaust.«
    »Das haben sie doch schon immer gemacht. Aber jetzt haben sie einen neuen Trick – hängt mit dem Preisschild zusammen, das die Verkäufer immer abmachen, wenn du eine LP oder eine Kassette zur Kasse bringst. Rat mal, wirst nie drauf kommen, was ich herausgefunden hab. Beinah hätt’s mich dabei übrigens erwischt.« Sie warf sich in einen Sessel, grinste erwartungsvoll und zog einen kleinen, in Alufolie verpackten Würfel aus der Tasche, den er sofort als einen Brocken Hasch identifizierte, noch bevor sie ihn ausgewickelt hatte. »Das ist nicht einfach nur ein aufgeklebtes Preisschild. Es enthält auch ein winziges Stückchen einer ganz bestimmten Metalllegierung, und wenn der Verkäufer an der Kasse das Preisschild nicht abmacht und du damit durch die Tür gehst, dann geht eine Alarmsirene los.«
    »Und wie hast du das rausgekriegt?«
    »Direkt vor mir war so 'ne Teeniegöre, die mit ner Kassette unter dem Mantel rausmarschieren wollte. Der Alarm ging los – und die Angestellten schnappten sie sich und riefen die Bullen.«
    »Wie viele hattest du denn unter deinem Mantel?«
    »Drei.«
    »Hattest du auch Dope im Wagen? Haben sie dich nämlich erst mal beim Klauen erwischt, dann beschlagnahmen sie auch deinen Wagen, wenn du auch nur ’n bisschen so aussiehst, als könntest du noch mehr auf dem Kerbholz haben. Und wenn sie ihn dann abschleppen und bei der Routinedurchsuchung den Stoff finden, lochen sie dich dafür auch noch ein. Ich wette, das war nicht mal hier in L.A., oder? Ich wette, du hast das irgendwo gemacht, wo…« Arctor wollte gerade sagen: wo du niemanden vom Rauschgiftdezernat kennst, der sich für dich einsetzen könnte. Aber das durfte er nicht sagen, weil er ja sich selbst damit meinte. Sollte Donna jemals wegen Drogenbesitz hopsgenommen werden, würde er sich, im Rahmen seiner Möglichkeiten, den Hintern aufreißen, um ihr zu helfen. Doch er konnte rein gar nichts für sie tun, wenn sie nicht in Los Angeles, sondern irgendwo in L. A. County festgenommen wurde. Und wenn das eines Tages passierte – womit man wohl rechnen musste –, dann würde es vermutlich ausgerechnet dort geschehen – zu weit weg, als dass er davon erfahren würde oder ihr helfen konnte. In seinem Kopf spulte er eine Phantasienummer ab, eine echte Horrorshow: Donna, die ähnlich wie Luckman starb, ohne dass jemand es hörte oder sich dafür interessierte oder etwas unternahm. Selbst wenn sie es hörten, waren sie genau wie Barris unbeteiligt und warteten träge ab, bis für Donna alles zu spät war. Sie würde nicht richtig sterben, nicht so, wie Luckman gestorben war. War? Beinahe gestorben war. Doch weil sie süchtig nach Substanz T war, würde sie nicht nur einfach ins Gefängnis wandern, sondern auch auf Zwangsentzug gehen müssen. Cold Turkey. Und da sie nicht nur Drogen konsumierte, sondern auch dealte – und dann war da ja auch noch die Sache mit dem Diebstahl –, würde sie eine ganze Weile im Knast sitzen, und während dieser Zeit mochten ihr noch eine Reihe anderer Dinge, schreckliche Dinge, zustoßen. Und wenn sie dann wieder rauskam, würde sie völlig verändert sein – eine ganz andere Donna. Ihre sanfte, fürsorgliche Art, die er so sehr liebte, ihre Wärme – das alles würde sich in Gott weiß was verwandelt haben. Auf jeden Fall würde sie leer sein, leer und verbraucht. Donna, verwandelt in ein Ding. Das blühte ihnen eines Tages allen, aber nicht Donna, hoffte er. Jedenfalls nicht, solange ich lebe, und nicht an einem Ort, wo ich ihr nicht helfen kann.
    »Lebendig«, sagte er jetzt traurig zu ihr, »ohne Besessenheit.«
    »Was soll’n das heißen? Ach so, Transaktionsanalyse, stimmt’s? Aber wenn ich Hasch rauche…« Sie hatte ihre kleine Hasch-Pfeife aus Ton hervorgeholt, die sie selbst gemacht hatte und deren Kopf wie ein Seeigel aussah, und zündete sie gerade an. »… dann fühle ich mich befreit.« Sie blickte mit vor Glück glänzenden Augen zu ihm auf, lachte und streckte ihm die kostbare Hasch-Pfeife entgegen. »Ich lade dich jetzt auf. Setz dich.«
    Während er sich hinsetzte, stand sie auf und paffte im Stehen so lange, bis der Pfeifenkopf kräftig glomm. Dann schlurfte sie auf ihn zu, beugte sich über ihn, und als er den Mund öffnete – wie ein Vogeljunges,

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