Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Hause, um sie im Austausch dafür zu bumsen, dass er ihr ein Päckchen mit zehn Mex-Hits gegeben hatte.
    Das Mädchen – sie war mager und hatte merkwürdig glattes Haar – setzte sich auf die Bettkante und kämmte sich. Es war das erste Mal, dass sie mit ihm mitgekommen war – er hatte sie auf einer Fixerparty kennen gelernt –, und er wusste nur wenig über sie, obwohl er ihre Telefonnummer schon seit Wochen mit sich herumtrug. Da sie ein Nadel-Freak war, war sie natürlich frigide, aber das törnte ihn nicht ab, ganz im Gegenteil: Sex war ihr gleichgültig, weil sie kein Vergnügen daran hatte, also war ihr auch gleichgültig, welche Art von Sex es war.
    Das merkte man sofort, wenn man sie nur ansah. Connie saß halb ausgezogen da, eine Haarklammer im Mund, dumpf vor sich hin starrend, offensichtlich irgendwo in ihrem Kopf unterwegs. Ihr längliches, knochiges Gesicht war herb und irgendwie ausdrucksvoll, vermutlich, entschied er, weil die Knochen, besonders die Kieferlinien, so stark hervortraten. Auf der rechten Wange hatte sie einen Pickel, was sie allerdings nicht kümmerte, ja, wahrscheinlich bemerkte sie ihn nicht einmal – genau wie Sex bedeuteten ihr auch Pickel herzlich wenig. Wer weiß, vielleicht konnte sie nicht einmal einen Unterschied erkennen. Für sie, die sie schon lange an der Nadel hing, mochten Sex und Pickel etwas ganz Ähnliches sein oder sogar das Gleiche.
    »Hast du eine Zahnbürste, die ich benutzen kann?«, fragte ihn Connie; sie war ein bisschen weggenickt und hatte vor sich hin zu murmeln begonnen, wie es bei Fixern manchmal vorkam. »Ach, Scheiße – Zähne sind Zähne. Ich putze sie mir…« Ihre Stimme war so leise geworden, dass er die nächsten Worte nicht mehr hören konnte, aber er konnte an ihren Lippen sehen, dass sie weiter vor sich hin brabbelte.
    »Weißt du, wo das Badezimmer ist?«, fragte sie dann.
    »Was für ein Badezimmer?«
    »Das hier im Haus.«
    Sie begann wieder, sich mit mechanischen Bewegungen zu kämmen. »Was sind das für Typen, die da draußen rumhängen? Sich Joints drehen und immer weiterquatschen, obwohl’s schon so spät ist? Ich nehme an, die wohnen hier bei dir. Klar wohnen die hier. Wo sollten Typen wie die auch sonst wohnen?«
    »Zwei davon jedenfalls.«
    Ihre Augen, die an die eines toten Kabeljaus erinnerten, wandten sich ihm zu, starrten ihn an. »Bist du schwul?«, fragte sie.
    »Ich kämpfe dagegen an, so gut ich kann. Genau deshalb bist du ja heute Nacht hier.«
    »Dann wird das wohl eine ziemlich heiße Schlacht werden, was?«
    »Worauf du Gift nehmen kannst.«
    »Schätze, ich werd’s wohl gleich rausfinden. Wenn du ein latenter Schwuler bist, wirst du’s vielleicht mögen, wenn ich die Initiative übernehme. Leg dich hin und ich besorg’s dir. Soll ich dich ausziehen? Okay, du liegst einfach nur da und ich mach alles.« Sie griff nach dem Reißverschluss seiner Hose.
     
    Später döste er im Halbdunkel vor sich hin, schläfrig von dem Trip, wenn man das denn so nennen konnte. Neben ihm schnarchte Connie. Sie lag auf dem Rücken, die Arme auf der Decke. Er konnte sie nur verschwommen erkennen. Sie schlafen wie Graf Dracula, dachte er, diese Junkies. Starren unverwandt nach oben, bis sie sich urplötzlich aufrichten, wie eine Maschine, die von Position A auf Position B umgeschaltet wird. Es – muss – schon – Tag – sein, sagt der Junkie. Oder jedenfalls das Tonband in seinem Kopf, das ihm Anweisungen gibt. Der Geist eines Junkies ist wie die Musik, die du aus dem Radiowecker hörst – manchmal klingt sie ja ganz hübsch, aber sie ist nur dazu da, dich zu etwas Bestimmtem zu veranlassen. Die Musik aus dem Radiowecker soll dich aufwecken; die Musik des Junkies soll dich in ein Werkzeug zur Beschaffung von immer mehr Stoff verwandeln, ein Werkzeug, das der Junkie so einsetzt, wie es ihm nützt. Er, der selber eine Maschine ist, wird dich in seine Maschine verwandeln.
    Jeder Junkie, dachte er, ist eine Tonbandaufnahme.
    Und wenn der Junkie ein Mädchen, eine Braut ist, dann hat er am Ende nichts mehr zu verkaufen als seinen Körper. Wie Connie, Connie, die hier neben mir liegt.
    Er öffnete seine Augen und drehte sich zu ihr um – und er sah Donna Hawthorne.
    Mit einem Ruck fuhr er im Bett auf. Donna! Er konnte ihr Gesicht deutlich erkennen. Ein Irrtum war unmöglich. Herr im Himmel!, dachte er und tastete nach der Lampe auf dem Nachttisch. Seine Finger stießen dagegen, die Lampe kippte um und fiel zu Boden. Das Mädchen merkte

Weitere Kostenlose Bücher