Der dunkle Schirm
einem bedeutungsschweren Nicken, so, als sei er von der Weisheit der nichtexistenten Worte auf jener Seite tief bewegt, schloss er das großformatige, in rotes Leder gebundene und mit goldenen Lettern geschmückte ›Große illustrierte Buch der körperlichen Liebe‹ wieder und stellte es an seinen angestammten Platz im Regal zurück. Und er dachte: Hoffentlich zoomen die Kameras nicht auf den Buchumschlag und lassen meinen kleinen Schwindel auffliegen.
Charles Freck, der angesichts dessen, was mit all seinen Bekannten geschah, immer deprimierter wurde, beschloss zu guter Letzt, sich ein für alle Mal davonzumachen. In den Kreisen, in denen er verkehrte, war es kein Problem, seinem Leben ein Ende zu setzen – man kaufte sich einfach eine größere Ladung Reds und schluckte sie mit einem billigen Wein, spät in der Nacht, nachdem man zuvor den Telefonhörer neben die Gabel gelegt hatte, um von niemandem gestört zu werden.
Natürlich musste ein solcher Abgang sorgfältig geplant werden, und im Mittelpunkt der Vorbereitungen standen dabei die Artefakte, die spätere Archäologen finden sollten. Es galt, sie so auszuwählen, dass diese Archäologen auch wissen würden, woher man stammte. Und sich außerdem ein Bild davon machen konnten, was zum Zeitpunkt der Tat in deinem Kopf vorging.
Daher verwandte er mehrere Tage darauf, über die Zusammenstellung der Artefakte zu entscheiden. Viel länger, als er darauf verwandt hatte, zu beschließen, sich umzubringen, und ungefähr die gleiche Zeit, die er benötigt hatte, um sich eine hinreichend große Menge von Reds zu beschaffen. Man würde ihn in seinem Bett finden, auf dem Rücken liegend, neben sich ein Exemplar von Ayn Rands »The Fountainhead« (das Zeugnis davon ablegen sollte, dass er ein unverstandener Übermensch gewesen war, verkannt von den Massen und sozusagen ein Opfer ihrer schmählichen Missachtung) und einen unvollendeten Brief an Exxon, in dem er gegen die Annullierung seiner Benzin-Kreditkarte protestierte. Auf diese Weise würde er das System anklagen und durch seinen Tod etwas bewirken, das über das hinausging, was der Tod für ihn selbst bewirkte.
Tatsächlich war er sich über das, was der Tod für ihn bewirken würde, längst nicht so im Klaren wie über das, was die beiden Artefakte bewirken würden. Aber wie auch immer, es fügte sich alles zusammen und er begann, die letzten Vorbereitungen zu treffen, wie ein Tier, das spürt, dass seine Zeit gekommen ist, und nun nach dem Programm handelt, das die Natur ihm für diesen Augenblick mitgegeben hat.
Im letzten Moment allerdings (der Sand im Stundenglas war beinahe schon verronnen) änderte er seinen Plan in einem entscheidenden Punkt ab und beschloss, die Reds mit einem Connaisseur-Wein statt mit Ripple oder Thunderbird runterzuspülen, und so machte er sich auf zu seiner letzten Fahrt, hinüber zu Trader Joe’s, einem Fachgeschäft für Weine, und erstand dort eine Flasche 1971er Mondavi Cabernet Sauvignon, was ihn um fast dreißig Dollar ärmer machte – und das war alles, was er hatte.
Wieder daheim, entkorkte er die Flasche und gab der Blume Zeit, sich in aller Ruhe zu entfalten. Dann trank er ein paar Gläser, betrachtete einige Minuten seine Lieblingsseite im ›Großen illustrierten Buch der körperlichen Liebe‹ (die ein Mädchen zeigte, das rittlings auf einem Mann hockte), stellte den Plastikbeutel mit den Reds neben sein Bett und legte sich schließlich mit dem Ayn-Rand-Buch und dem unvollendeten Brief an Exxon hin – und versuchte, an etwas Bedeutungsvolles zu denken, doch das wollte ihm einfach nicht gelingen, er sah immer nur das rittlings auf dem Mann hockende Mädchen vor sich. Und dann kippte er mit einem Glas Cabernet Sauvignon alle Reds auf einmal hinunter, sank nach vollbrachter Tat zurück, das Ayn-Rand-Buch und den Brief auf seiner Brust, und wartete.
Aber er war gelinkt worden. Die Kapseln waren gar keine Barbiturate, wie der Dealer behauptet hatte, sondern irgendwelche verrückten psychedelischen Drogen, wie er sie noch nie zuvor eingeworfen hatte. Vielleicht eine Mischung, die neu auf dem Markt war. Statt ruhig zu ersticken, begann Charles Freck zu halluzinieren. Tja, dachte er philosophisch, das ist nun einmal mein Schicksal. Immer werde ich beschissen… Angesichts der Menge der Kapseln, die er geschluckt hatte, richtete er sich vorsorglich darauf ein, dass ihm ein höllischer Trip bevorstand.
Seine nächste Wahrnehmung war ein Geschöpf von irgendwo
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