Der dunkle Schirm
zweifellos gute Gründe dafür, Gründe, über die er nichts wusste. Vielleicht bestätigten diese parallel ablaufenden Entwicklungen einander: Das wachsende Interesse der Behörden an Arctor – immerhin hatte es die Abteilung eine schöne Stange Geld gekostet, die Holo-Kameras in seinem Haus zu installieren und ihn dafür zu bezahlen, dass er die Ergebnisse dieser Überwachungstätigkeit analysierte, und dann waren da ja auch noch die anderen Beamten weiter oben, die sich das abschließende Urteil über das Material bilden mussten, das er regelmäßig an sie weiterleitete –, dieses Interesse jedenfalls passte gut zu der Tatsache, dass auch Barris seine Aufmerksamkeit in einem für ihn unüblichen Maße auf Arctor richtete. Beide Parteien hatten Arctor also zu ihrem Primärziel gemacht. Aber was hatte er selbst in Arctors Verhalten bemerkt, das man als ungewöhnlich hätte bezeichnen können? Durch direkte, unmittelbare Beobachtung – unabhängig von den Einschätzungen der beiden anderen Parteien?
Während das Taxi weiterfuhr, dachte er, dass er vermutlich eine ganze Weile würde Ausschau halten müssen, um auf etwas zu stoßen – die Wahrheit würde sich den Kameras nicht von einem Tag auf den anderen offenbaren. Er würde viel Geduld aufbringen müssen, um über einen langen Zeitraum hinweg Nachforschungen anzustellen und sich in einen Bewusstseinszustand zu versetzen, in dem er die notwendige Bereitschaft zum Warten aufbrachte.
Doch dann, sobald er etwas auf den Holo-Schirmen sah, irgendein rätselhaftes, verdächtiges Verhalten von Arctor, würde der Mann plötzlich im Schnittpunkt einer Peilung von drei Fixpunkten aus stehen, und es würde eine dritte Absicherung für die Einschätzungen der anderen Parteien geben. Ganz bestimmt würde das die endgültige Bestätigung liefern. Und damit die Kosten und die Zeit rechtfertigen, die von allen Parteien aufgewendet worden waren.
Er dachte: Ich frage mich, was Barris weiß, was wir nicht wissen. Vielleicht sollten wir ihn einsacken und ihn danach fragen. Andererseits ist es natürlich günstiger, über Material zu verfügen, das unabhängig von Barris zusammengetragen wurde – sonst wäre es ja nur eine Kopie jener Erkenntnisse, über die Barris – wer immer er war, wen immer er repräsentierte – verfügte.
Und dann dachte er: Was, zum Teufel, geht da eigentlich in meinem Kopf vor? Ich muss verrückt sein. Ich kenne Bob Arctor doch – er ist ein guter Mensch. Er ist in nichts verwickelt, jedenfalls in keine üblen Sachen. Er arbeitet sogar für das Sheriff-Büro von Orange Gounty – getarnt. Was möglicherweise der Grund dafür ist…
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
… warum Barris hinter ihm her ist.
Aber das erklärt noch nicht, warum das Sheriff-Büro von Orange County hinter ihm her ist – und zwar so sehr, dass sie diese ganzen Holos installiert und einen Full-Time-Agenten damit beauftragt haben, ihn zu überwachen und über ihn Bericht zu erstatten. Das lässt sich damit einfach nicht erklären.
Es passt alles nicht zusammen. Da muss noch mehr, noch viel mehr in diesem Haus vor sich gehen, diesem heruntergewirtschafteten, mit Abfall voll gestopften Haus mit dem unkrautüberwucherten Hinterhof und den Katzenklos, die nie geleert werden, diesem Haus, in dem die Tiere auf dem Küchentisch herumspazieren und die Mülleimer überquellen, weil nie jemand den Müll nach draußen trägt.
Was für eine Verschwendung, ein so gutes und solides Haus derart herunterkommen zu lassen. Man könnte so viel damit machen. In diesem Haus könnte eine Familie leben, Kinder, eine Frau. Dafür war es ja gedacht – drei Schlafzimmer. So eine Verschwendung, so eine beschissene Verschwendung! Sie sollten es ihm wegnehmen, sie sollten auf der Stelle die Zwangsräumung anordnen. Vielleicht werden sie das ja auch machen. Und es einer besseren Verwendung zuführen, dieses Haus schreit geradezu danach. Es hat ja schon viel bessere Tage gesehen, vor langer Zeit, und diese Tage könnten wiederkehren. Wenn jemand anders darin wohnen und sich darum kümmern würde.
Besonders um den Hof, dachte er, als das Taxi in die mit alten Zeitungen übersäte Auffahrt bog.
Er bezahlte den Fahrer, holte seinen Schlüssel heraus und betrat das Haus.
Sofort spürte er, dass
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