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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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werden konnte. Und dann setzten sie ihn wieder in Betrieb.«
    »Es wäre klüger gewesen, den Münzspeicher aufzu-
    brechen«, sagte Barris.
    »Also verkauften sie von da an Briefmarken«, sagte
    Luckman, »so ein paar Wochen lang, eben bis die Ma-
    schine vollständig leer war, was ja irgendwann einmal 231
    der Fall sein mußte. Aber was, zum Teufel, sollten sie dann damit anfangen? Ich kann mir gut vorstellen, wie Donnas Gehirn während jener Wochen an diesem Problem arbeitete, dieses bauernschlaue Gehirn … sie ist bäuerlicher Abstammung, ihre Familie kommt aus irgendeinem europäischen Land. Kurz und gut, als die Rolle dann aufgebraucht war, da hatte Donna beschlossen, den Automaten auf Softdrinks umzustellen. Eine riskante Sache, denn das sieht das Postministerium nun gar nicht gern. Dafür wandert man für immer in den Knast. «
    »Ist das wirklich wahr?« fragte Barris.
    »Ist das wirklich wahr?« fragte Luckman.
    Barris sagte: »Dieses Mädchen ist asozial. Man sollte sie auf der Stelle verhaften lassen. Begreift ihr überhaupt, daß alle unsere Steuern erhöht worden sind, weil sie diese Briefmarken gestohlen hat?« Es klang jetzt wieder sehr wütend.
    »Schreib doch an die Regierung und erzähl’s ihnen«, sagte Luckman. Sein Widerwille gegen Barris ließ sein Gesicht ganz kalt werde. »Und bitte Donna um eine
    Marke, damit du den Brief damit frankieren kannst; sie wird die bestimmt eine verkaufen.«
    »Zum vollen Preis«, sagte Barris ebenso aggressiv.
    Die Holos, dachte Arctor, werden Kilometer um Ki-
    lometer von solchem Zeug auf ihren teuren Bändern
    speichern. Nicht Kilometer um Kilometer toter Bänder, sondern Kilometer um Kilometer total ausgeflippter
    Bänder.
    Plötzlich kam ihm der Gedanke, daß – zumindestens
    für ihn … für wen? … für Fred – nicht das wichtig war, 232
    was sich abspielte, während Robert Arctor vor einer Ho-lo-Kamera saß, sondern das, was geschah, während Bob Arctor anderswo war oder schlief und andere Personen sich im Bereich der Aufzeichnungsgeräte aufhielten. Und darum, dachte er, sollte ich jetzt ganz wie geplant einen Abgang machen, sollte diese Jungs hier allein lassen und andere Leute, die ich kenne, zu ihnen rüberschicken. Ich sollte mein Haus von jetzt an superzugänglich machen.
    Und dann nahm in seinem Innern ein schrecklicher,
    häßlicher Gedanke Gestalt an. Angenommen, ich sehe
    Donna hier drinnen, wenn ich die Bänder durchlaufen lasse – Donna, die mit einem Löffel oder einer Messer-klinge ein Fenster öffnet, hereinschlüpft und mein Eigen-tum zerstört oder stiehlt. Eine andere Donna: meine kleine Donna, wie sie in Wirklichkeit ist, oder wie sie jedenfalls immer dann ist, wenn ich sie nicht sehen kann. Die philosophische »Wenn ein Baum im Walde stürzt«-
    Nummer. Wie ist Donna, wenn keiner in der Nähe ist und sie beobachtet?
    Verwandelt sich, so fragte er sich, dieser sanfte, lie-benswerte Zankteufel, dieses super-gutherzige Mädchen dann schlagartig in eine verschlagene, heimtückische Fremde? Werde ich eine Veränderung miterleben, die
    mir fast den Verstand raubt? Bei Donna oder bei Luckman, bei irgend einem von denen, für die ich etwas empfinde? Nimm nur einmal deine Schoßkatze oder deinen Schoßhund … was mögen die tun, wenn du aus dem
    Haus bist? Die Katze schnappt sich vielleicht einen Kis-senbezug und fängt an, deine ganzen Wertgegenstände hineinzustopfen; die elektrische Uhr, den elektrischen 233
    Radiowecker, den Rasierapparat, eben alles, was sie nur einsacken kann, bevor du zurückkommst; während du
    weg bist, ist sie wie verwandelt, eine ganz andere Katze, die dich beklaut und alles zur Pfandleihe bringt und deine Joints raucht oder an der Decke entlangspaziert oder Ferngespräche mit Unbekannten führt … und Gott weiß was noch. Ein Alptraum, eine verkehrte Welt hinter dem Spiegel, eine Stadt des Schreckens, in der wirklich alles möglich ist und in deren Straße unsägliche Wesenheiten herumkriechen; Donna, die auf allen vieren kriecht und aus den Futternäpfen der Haustiere frißt … wilde psychedelische Trips jeder Art, unauslotbar und abscheulich.
    Wahnsinn, dachte er; ebensogut könnte es sein, daß
    Bob Arctor mitten in der Nacht aus tiefem Schlaf aufsteht und auf solche Trips geht. Vielleicht hat er sexuelle Beziehungen mit der Wand. Oder mysteriöse Freaks tauchen auf, die er nie zuvor gesehen hat, ein ganzer Haufen davon, und sie alle haben eine besondere Art von Köpfen, die sich um 360 Grad drehen

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