Der dunkle Schirm
da eingerichtet haben, wo es sich wirklich befand.
Barris hätte bestimmt einen möglichst exotischen Platz gewählt, um die Waffe zu verbergen, etwa einen Hohl-raum in der Lenksäule. Oder den Benzintank. Ja, wahrscheinlich hätte er die Waffe – ähnlich wie die Helden in dem klassischen Streifen Easy Rider ihre Ladung Koks –
an einem Draht in den Benzintank baumeln lassen. Nebenbei bemerkt war gerade dieser Ort wohl das ungeeig-netste Dope-Versteck, das man sich nur vorstellen konnte. Jedem Bullen, der den Film mitgekriegt hatte, war wohl sofort das klargewesen, was clevere Psychiaterty-pen später aufgrund hochwissenschaftlicher Analysen herausgefunden hatten: nämlich, daß die beiden Motor-radfahrer es unterbewußt darauf anlegten, erwischt und möglichst auch getötet zu werden. Seine Waffe – die in seinem Wagen – lag im Handschuhfach.
Die angeblich so raffinierten Apparätchen, auf die
Barris dauernd anspielte, wenn er von seinem eigenen Wagen sprach, hatten möglicherweise sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit, der Wirklichkeit von Arctors umgerüsteten Wagen, weil viele der radiotechni-schen Gimmicks, die Arctor zur Verfügung standen,
längst weite Verbreitung gefunden hatten und in TV-
Spätprogrammen und in Talkshows von Elektronik-
Experten vorgeführt worden waren, die an ihrer Entwick-243
lung beteiligt gewesen waren oder in Fachzeitschriften darüber etwas gelesen hatten oder sie mal gesehen hatten oder aus den Polizeilaboratorien gefeuert worden waren und nun einen Groll gegen ihren früheren Arbeitgeber hegten. Daher wußte der Durchschnittsbürger (oder, wie Barris in seiner pseudo-gebildeten Art stets sagte, der typische Durchschnittsbürger) inzwischen, daß kein ge-wöhnlicher Bulle das Risiko einging, einen mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Gegend rasenden, hochfri-sierten und mit Rallyestreifen aufgemotzten 57er Chevy, hinter dessen Steuer ein Etwas saß, das wie ein wildge-wordener Teenager aussah, der ausgeflippt war, weil er zu viel Coors-Bier intus hatte, anzuhalten – nur um herauszufinden, daß er einen Geheimen Rauschgift-
Agenten gestoppt hatte, der seiner Beute dicht auf den Fersen war. Demnach wußte der typische Durchschnittsbürger also heutzutage, wie und warum diese ganzen Ge-heimfahrzeuge, die durch die Straßen röhrten, alte Da-men erschreckten und manche Spießer so abschockten, daß sie sich hinsetzten und entrüstete Briefe an die Regierung schrieben, im munteren Hin und Her Identifikati-onssignale miteinander oder mit ihrer jeweiligen Leitstelle austauschten … aber was machte das schon aus? Wirkliche Probleme – erschreckende Probleme sogar –würde es erst geben, wenn die Puks, die Hot-Rod-Freaks, die Mo-torradrocker und besonders die Dealer, Zwischenträger und Großhändler es fertigbrachten, auch in ihre Fahrzeuge solche ausgeklügelten Vorrichtungen einzubauen.
Dann nämlich konnten sie einfach an jedem Bullen
vorbeirauschen. Ungestraft.
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»Dann gehe ich eben zu Fuß«, sagte Arctor. Genau das hatte er ja ohnehin tun wollen; er hatte sowohl Barris als auch Luckman elegant ausgetrickst. Er mußte zu Fuß gehen.
»Wo willst du hin?« erkundigte sich Luckman.
»Rüber zu Donna.« Es war unmöglich, zu Fuß bis zu
ihrer Bude zu gelangen; mit dieser Ankündigung stellte er sicher, daß keiner der beiden Männer auf die Idee kam, ihn zu begleiten. Er zog sich den Mantel an und trabte zur Haustür. »Bis später, Jungs.«
»Mein Wagen –« setze Barris ein wenig schuldbewußt
noch einmal zu einer Erklärung an.
»Wenn ich versuchen würde, deinen Wagen zu fah-
ren«, sagte Arctor, »würde ich bestimmt den falschen Knopf drücken und plötzlich wie der Goodyear-Zeppelin hoch über Los Angeles schweben, und dann würde ich
dazu engagiert werden, borsaueres Salz über brennenden Ölquellen abzuwerfen.«
»Ich bin froh, daß du meine schwierige Lage zu wür-
digen weißt«, murmelte Barris, während Arctor die Tür hinter sich schloß.
*
Fred saß in seinem Jedermann-Anzug vor dem Holo-
Schirm von Monitor Zwei und betrachtete teilnahmslos die in rascher Folge vor seinen Augen wechselnden Bilder. Im Kontroll-Zentrum waren noch weitere Beobachter mit der Durchsicht holografischen Bildmaterials beschäftigt, das die an allen möglichen anderen Orten in-245
stallierten Kameras hierher übermittelt hatten. Meist handelte es sich um Aufzeichnungen. Fred jedoch betrachtete eine Live-Übertragung gerade jetzt
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