Der dunkle Schirm
ablaufender Ereignisse; zwar zeichnete das ihm zugewiesene Gerät auch auf, aber er hatte das Speicherband mit einer besonderen Schaltung umgangen, damit die Bilder, die eben in diesem Moment aus Bob Arctors angeblich so herunter-gekommenem Haus übertragen wurden, gleichzeitig auch auf den Holo-Schirmen erschienen.
Im Innern des Hologramms saßen – in naturgetreuen
Farben und mit sehr guter Auflösung – Barris und Luckman. Barris kauerte im besten Wohnzimmersessel und
beugte sich über eine Hasch-Pfeife, an der er schon seit Tagen herum werkelte. Er umwickelte den Kopf der Pfeife in endlosen Lagen mit weißem Bindfaden; er konzentrierte sich so sehr auf diese Arbeit, daß sein Gesicht zu einer Maske erstarrt war. Am Kaffeetisch hockte Luckman über einer Portion Swanson’s Hühnchen-
Schlemmermahl für frohe Fernsehstunden, die er in gro-
ßen Bissen herunterschlang, während er sich einen Western im Fernsehen ansah. Vier Bierdosen, allesamt leer, lagen auf dem Tisch, von seiner mächtigen Faust zer-quetscht; gerade griff er nach einer fünften, noch halb-vollen Dose, warf sie um, verschüttetete das Bier, packte sie und fluchte. Bei diesem Fluch schaute Barris auf, betrachtete ihn wie Mime im Siegfried und nahm dann seine Arbeit wieder auf.
Fred beobachtete weiter.
»Scheiß Sparprogramm«, gurgelte Luckman, den
Mund vollgestopft mit Essen, und dann, ganz plötzlich, 246
ließ er den Löffel fallen und kam stolpernd auf die Füße, wankte, drehte sich zu Barris um, beide Hände erhoben, gestikulierend, aber ohne etwas zu sagen. Sein Mund stand offen, und halbzerkautes Essen fiel heraus, auf seine Kleider, auf den Boden. Die Katzen kamen gierig her-angestürzt.
Barris hielt in seiner Arbeit an der Hasch-Pfeife inne, blickte auf, musterte den unglücklichen Luckman. Der verfiel regelrecht in Raserei, gurgelte jetzt noch viel schrecklicher als zuvor und fegte mit einer Hand die Bierdosen und das Essen vom Kaffeetisch; alles klapper-te zu Boden. Die Katzen hetzten erschrocken davon. Immer noch saß Barris da, Luckman starr anglotzend.
Luckman schwankte ein paar Schritte in Richtung Kü-
che; er geriet jetzt in den Aumahmebereich der dort in-stallierten Kamera, und auf einem der anderen Holo-
Schirme vor Freds schreckgeweiteten Augen erschien ein Bild davon, wie Luckman im Halbdunkel der Küche zu-nächst blind nach einem Glas tastete und dann versuchte, den Kran anzudrehen und das Glas mit Wasser zu füllen.
Am Monitor sprang Fred auf; betäubt sah er auf Monitor Zwei, daß Barris, der noch immer ruhig im Sessel saß, zu seiner alten Beschäftigung zurückkehrte und sorgfältig immer mehr Bindfaden um den Kopf einer Hasch-Pfeife wand. Barris schaute nicht wieder auf; Monitor Zwei zeigte ihn wieder ganz in seine Arbeit vertieft.
Aus den Lautsprechern klirrten die berstenden und rö-
chelnden Geräusche der Agonie; das erstickte Würgen eines Menschen und der scheppernde Lärm von Gegenständen, die zu Boden polterten, weil Luckman in dem 247
verzweifelten Versuch, Barris’ Aufmerksamkeit zu erregen, Töpfe und Pfannen und Geschirr und Besteck um
sich schleuderte. Barris, ganz ruhig inmitten des Lärms, arbeitete methodisch an seiner Hasch-Pfeife weiter und schaute nicht wieder auf.
In der Küche, auf Monitor Eins, stürzte Luckman wie vom Schlag getroffen zu Boden. Er sank nicht langsam in die Knie, sondern schlug einfach mit einem widerwärtig dumpfen Geräusch lang hin und lag dann reglos da, alle viere von sich gestreckt. Barris fuhr fort, Bindfaden um seine Hasch-Pfeife zu wickeln, und jetzt stahl sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, in seine Mundwinkel.
Wie unter Schockeinwirkung stand Fred vor den
Schirmen und starrte sie an. Alles in ihm drängte danach, zu handeln, und doch war er zugleich wie paralysiert. Er langte nach dem Polizeitelephon neben dem Monitor,
hielt inne, schaute immer noch zu.
Mehrere Minuten lang lag Luckman reglos auf dem
Boden der Küche, während Barris wickelte und wickelte.
Barris beugte sich vornüber wie eine alte Dame, die gänzlich in ihrer Strickarbeit aufgeht; er lächelte still vor sich hin, wiegte sich vor und zurück, lächelte, lächelte …
und warf dann übergangslos die Hasch-Pfeife weg, stand auf, starrte durchdringend auf Luckmans reglose Gestalt auf dem Küchenfußboden, auf das zersplitterte Glas neben ihm und auf all die Trümmer und Pfannen und zerbrochenen Teller. Sein Gesicht verzog sich zu einer höh-nischen Parodie plötzlichen
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