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Der dunkle Spiegel

Titel: Der dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einpflanzen sollte, und ein erleichtertes Lächeln breitete sich über seinem verweinten Gesicht aus. Die Weberinnen bat sie, wieder an ihre Arbeit zu gehen. Rigmundis war bereits die Treppe zu ihrer Kammer emporgehuscht. Schließlich nahm sie ihren Korb und überquerte den Hof, um ihre Einkäufe bei der Köchin abzuliefern.
    »Was für ein Aufruhr!«, sagte sie, als sie in die Küche trat.
    »Deine Schuld, Almut. Hättest du am Sonntag in der Messe nur den Mund gehalten!«, antwortete Gertrud mürrisch. »Da siehst du mal wieder, wohin das führt.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Der Johannes Deubelbeiß war da und wollte dich wegen der Sache befragen.«
    »Das kann er gerne. Aber warum spielt Elsa dann verrückt?«
    »Elsa ist eine arme Seele. Und jetzt nimm die Sachen, die nicht in die Küche gehören, aus dem Korb und lass mich arbeiten!«
    Mehr war aus der Köchin nicht herauszubekommen, und Almut zog sich kopfschüttelnd zurück. Obwohl sie sich nichts hatte anmerken lassen, bereitete ihr die Nachricht, dass der Inquisitor sie befragen wollte, große Sorgen. Und der weitere Verlauf des Nachmittags trug nichts dazu bei, diese zu verringern.

11. Kapitel
    Salve Regina. Mater misericordiae, vita dulcedo, et spes nostra…« Almut betete an diesem Abend besonders innig zu Maria, doch schon nach wenigen Worten des vorgeschriebenen Gebetes wandte sie sich wieder direkt an die kleine Bronzestatue, vor der sie ein Sträußlein blühender Kamillen abgelegt hatte.
    »Höre, Maria, Königin des Himmels. Jetzt ist es wirklich passiert! Ich hatte ja schon so eine Ahnung, dass mit dem schwarzen Spiegel das Unheil über mich hereinbrechen würde. Und nun ist es noch viel schlimmer gekommen, als ich es mir vorstellen konnte. Ich wollte doch nicht meine Schwestern in den Verdacht bringen, Ketzerinnen und Giftmischerinnen zu sein. Was kann ich nur tun, um diesen Fehler wieder gutzumachen? Soll ich mich dem Inquisitor stellen und alle Schuld auf mich nehmen? Gut, für die dummen Worte in der Messe könnte ich das wohl tun. Aber ich habe dem jungen Jean nichts verabreicht, an dem er gestorben ist. Das kann ich nicht eingestehen. Das ist nicht wahr. Aber Bruder Johannes lässt keine Entschuldigung gelten. Das hat er der Meisterin ganz deutlich gesagt. Also müsste ich meinerseits jemand anderen beschuldigen, und das kann ich auch nicht. Was soll ich nur tun, Maria?«
    Das trübe Licht des Abends erleuchtete Marias Gesicht nur matt, doch die Kamillenblüten zu ihren Füßen dufteten süß.
    »Heilige Maria, barmherzige Jungfrau, lass mich eine Lösung finden, die uns hilft, den Schaden von uns zu wenden. Die Ketzerei kann ich auf mich nehmen und hoffen, dass die Buße nicht so grausam sein wird. Den Mord – dafür muss ich eine Erklärung finden. Und es muss schnell gehen, denn der Inquisitor wird wiederkommen. Auch Jean muss endlich seine Ruhe finden. Sie wollen ihn erst beerdigen, wenn der Schuldige überführt worden ist. Es wird auch nichts nützen, wenn de Lipa zurückkommt und seinen Vorwurf zurücknimmt. Mist, Maria! Bruder Johannes hat sich an der Idee festgebissen, dem Gericht einen geständigen Täter zu übergeben. Dann beschmutzt er seine Kutte nicht mit der Todesstrafe, weil er mit der Bitte um Gnade vor dem Gericht sein Gewissen reinwäscht.«
    Almut seufzte und senkte den Kopf, als sie sich die Konsequenzen dieser Verfahrensweise vorstellte. Ein Geständnis, wenn es nicht freiwillig geleistet wurde, konnte mit den Mitteln der Folter herbeigeführt werden. Angst würgte ihre Kehle, und heiser flüsterte sie: »Höre, Maria, schmerzensreiche Mutter, die du das Leid deines Sohnes unter dem Kreuz mitgefühlt hast. Du kennst die Qualen, unter denen ich die drei Kinder verloren habe. Hilf mir in dieser Stunde der Bedrängnis. Ich habe Angst, barmherzige Mutter. Ich habe entsetzliche Angst. Salve Regina, zu dir rufen wir verbannten Kinder Evas; zu dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen…«
    Ein Distelfink setzte sich auf die Fensterbank, drehte sein rot, weiß und schwarz gefärbtes Köpfchen hin und her und sang trillernd eine kleine Strophe seines hellen Liedes. Dann flatterte er auf und flog in die Abenddämmerung.
    Almut folgte ihm mit den Augen, und der Krampf in ihrer Kehle löste sich ein wenig.
    »Ich weiß, Maria, vielleicht wird es einen Weg geben. Ich muss mehr über den Jungen wissen, darüber, was ihn dazu gebracht hat, dass er, krank und schwach, noch in der Nacht zum Dienstag in das

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