Der dunkle Thron
Fertigkeiten. Auch wenn er selbst allmählich zu fett dafür wird …«
»Nick!«
»… veranstaltet er immer noch Jagden und große Turniere und dergleichen. Du willst nicht, dass die anderen Pagen dich auslachen, oder?«
Raymond schüttelte den Kopf.
»Dann komm.«
Nick sorgte dafür, dass sein Bruder die feine Schaube auszog und einen der formlosen Bauernkittel überstreifte, die immer an einem Nagel an der Tür zur Sattelkammer hingen, damit Sumpfhexe ihnen nicht die Köpfe abriss, wenn sie zurückkamen. Dann wählte er einen zahmen, sechsjährigen Wallach für Raymond, eine freche kleine Stute für sich selbst, ritt aber nicht in den Wald, wie er eigentlich beabsichtigt hatte, sondern auf einen der Übungsplätze des Gestüts, und erteilte seinem Bruder systematischen Reitunterricht. Einen Steinwurf entfernt auf der anderen Seite der Futterscheune trainierte Daniel die jungen Pferde des Gestüts, die von den Stallknechten geritten wurden. Jeder der jungen Burschen war um Klassen besser als sein Bruder, erkannte Nick voller Schrecken.
Nach einer Stunde war Raymond erledigt, aber gehobener Stimmung. »Niemand hat es mir je so gut erklärt wie du«, bemerkte er, als er aus dem Sattel glitt. »Vielleicht lerne ich es ja doch noch.«
»Hast du denn in Norfolks Haushalt keinen Unterricht bekommen?«, fragte Nick verwundert. »Archibald Grafton gilt als einer der besten Reiter Englands.«
Raymond schüttelte den Kopf. »Er ist meistens mit Onkel bei Hofe, weil der König seinen Rat beim Kauf seiner eigenen Pferde sehr schätzt. Wenn ich gelegentlich eine Reitstunde bekomme, dann von seinem Vormann. Der sagt, reiten sei ganz einfach: Je mehr du sie prügelst, umso schneller laufen sie .« Raymond schnitt eine Grimasse. »Ich reiß mich nicht gerade um seine Stunden.«
»Solange du hier bist, werde ich dich unterrichten, wenn deine Mutter und dein Onkel es erlauben«, versprach Nick.
Sie brachten die Pferde in die Boxen und sattelten sie ab. Auch Daniel und die Stallburschen kamen vom Übungsplatz zurück, und Nick und Raymond legten beim Füttern und Misten mit Hand an. Nick beobachtete mit sorgsam verborgener Befriedigung, wie sein Bruder auflebte. Die Tiere und die weitläufige Anlage mit ihren Koppeln und Weiden, die Gerüche von Stroh, Leder und Pferd, die fröhlichen Stallknechte mit ihren ausgefallenen Flüchen – kein Junge konnte diesem Zauber widerstehen.
Doch als es Mittag wurde, mahnte Nick zum Aufbruch.
»Was, schon?«, fragte Raymond enttäuscht.
»Wir wollen die Großzügigkeit deiner Mutter nicht auf die Probe stellen«, warnte Nick. »Die zwei Stunden sind längst um. Wenn du willst, dass sie dir morgen wieder erlaubt, mich zu begleiten, sollten wir uns sputen.«
»Du hast recht«, räumte der jüngere Bruder schweren Herzens ein.
Sie gingen zwischen den beiden Boxenreihen der Stuten entlang. Die meisten der grün gestrichenen Türen standen offen, denn die Bewohnerinnen waren mit ihrem Nachwuchs auf der Weide.
»Es sieht alles so neu und frisch aus«, bemerkte Raymond verwundert.
Nick schüttelte den Kopf. »Die Stallgebäude sind uralt. Nur ausgebessert, gestrichen und mit neuen Strohschindeln gedeckt.«
»Früher habe ich es hier gehasst. Alles war runtergekommen. Mir kommt es vor, als hätte es immer geregnet, wenn ich im Gestüt war.«
Nick musste lächeln. »So ging es mir auch.«
»Jetzt ist alles so schön und freundlich.«
»Der äußere Eindruck ist nicht das Wichtigste«, erklärte Nick mit einem Schulterzucken. »Entscheidend ist, gute Pferde in ausreichender Zahl zu züchten. Damit bin ich längst noch nicht so weit, wie ich es gern hätte. Aber ganz allmählich geht es voran.« Er behielt nicht nur die Hengste, sondern auch alle Stutfohlen und bildete sie als Reitpferde aus. Hin und wieder kaufte er in Smithfield auf dem Markt ein Tier dazu, wenn er es günstig angeboten bekam, weil es als unberechenbar oder bösartig galt, lehrte es, wieder Vertrauen zu Menschen zu fassen, bis es folgsam und lammfromm wurde, und verkaufte es mit Gewinn weiter. »Und ich lege Wert darauf, dass das Gestüt einen ordentlichen Eindruck macht, weil manchmal Käufer herkommen.« Regelmäßig verdonnerte er die Stallknechte zu verhassten Arbeiten wie Unkraut jäten oder Zäune streichen, und regelmäßig drohten sie mit Meuterei.
»Es ist großartig!«, bekundete Raymond mit kindlicher Begeisterung.
Nick machte sich nichts vor. Er wusste, ein paar gemeinsame Stunden im Gestüt würden
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