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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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erbarmungswürdigen Laut unterdrückten Jammers von sich und sank in sich zusammen. Sie landete auf den Knien, aber ehe sie ganz zu Boden fallen konnte, war Nick an ihrer Seite und hatte den Arm um ihre Taille gelegt.
    »Nicholas«, murmelte sie undeutlich.
    »Hier bin ich, Lady Meg.«
    Die Nächststehenden folgten ihrem Beispiel und sanken auf die Knie, und bald kniete die ganze Zuschauerschar im nassen Gras, faltete die Hände und betete das Paternoster.
    Der Lieutenant trat hinter Sir Thomas und zog behutsam dessen Wams über die Schultern herab, um den Nacken zu entblößen. Der weinende Scharfrichter hob das Beil über den Kopf.
    »Besser, Ihr seht nicht hin«, flüsterte Nick Lady Meg zu.
    Aber sie hörte nicht auf ihn. Starr schaute sie zum Schafott hinauf, sah genau wie Nick die scharfe Klinge niederfahren, in der der Bleiton des Himmels sich einen Moment zu spiegeln schien. Dann vernahmen sie das grauenvolle Knirschen, mit dem das Beil die Wirbel durchtrennte, und der Bart schien den Kopf abwärtszuzerren, der lautlos in den bereitstehenden Weidenkorb fiel, während eine senkrechte Blutfontäne aus dem durchtrennten Hals spritzte. Der Leib sackte zur Seite. William Kingston und der Wachoffizier traten vor und versperrten der Menge den Blick auf den Leichnam. Oben auf dem breiten Wehrgang des Tower donnerte der einzelne Kanonenschlag, der den Londonern verkündete, dass gerade wieder eine arme Seele vor ihren Schöpfer getreten war, auf dass sie einen Moment in ihren Tagesgeschäften innehielten und sich besannen. Das Dröhnen übertönte das leise Beten und Weinen auf dem Tower Hill.
    »Was geschieht jetzt mit ihm?«, fragte Meg Roper, ohne sich zu rühren.
    »Der Constable wird ihn in einen Sarg betten lassen und Euch übergeben. Mit Würde und Anstand, Lady Meg.«
    Endlich wandte sie den Blick und schaute Nick an. Ihr Gesicht, sogar die Lippen kamen ihm schneeweiß vor. »Aber was passiert mit dem Kopf?«
    Er antwortete nicht.
    Spätestens seit Verabschiedung der Suprematsakte im vergangenen November war klar gewesen, dass Thomas More nicht mit dem Leben davonkommen würde. Und als vor zwei Wochen John Fisher, der unbeugsame alte Bischof von Rochester, ebenfalls hier auf dem Tower Hill enthauptet worden war, hatte Nick gewusst, dass Sir Thomas nicht mehr viel Zeit blieb.
    Cromwell hatte dafür gesorgt, dass jeder Widerstand gegen die Lossagung von der Kirche in Rom unbarmherzig niedergeschlagen wurde. Einige hoch angesehene Kartäusermönche, die an den König appelliert hatten, um seines Seelenheiles willen eine Aussöhnung mit dem Papst zu suchen, waren in Tyburn als Verräter hingerichtet worden, und Cromwell hatte eigens zu dem Anlass einen Spezialisten angeheuert, einen Spanier, der jahrelang für die Inquisition seines Landes die unappetitliche Drecksarbeit verrichtet hatte. Das hatte Chapuys Nick bei einem ihrer konspirativen Treffen erzählt. »Es ist nie ein schöner Anblick, wenn ein Mann aufgeschlitzt, ausgeweidet, kastriert und dann gevierteilt wird, Waringham, aber ich schwöre bei Gott, etwas so Bestialisches habe ich noch nie gesehen. Einfach unfassbar, wie lang er sie am Leben gehalten hat …«
    »Ihr wart dort?«
    »Allerdings. Der Kaiser hat mich beauftragt, ihm alles zu berichten, was in diesem Land vorgeht, nach Möglichkeit aus eigener Anschauung. Ich sage Euch, es gibt Tage, da es mich drängt, mich zur Ruhe zu setzen.«
    »Dafür wird der König in der Hölle brennen«, hatte Nick prophezeit.
    Chapuys ging mit einem unverbindlichen Diplomaten-Achselzucken darüber hinweg. »Erst die Kartäuser, Mylord. Dann Fisher. Sir Thomas ist der Nächste, machen wir uns nichts vor. Und im Gegensatz zu Fisher schützt ihn keine Kardinalswürde. Stellt Euch darauf ein, dass er das gleiche Ende nehmen muss wie diese bedauernswerten Mönche.«
    Nick hatte sich bekreuzigt und gebetet: Lass das nicht zu, Gott. Nicht Sir Thomas. Gib uns ein winziges Zeichen, dass du uns nicht ganz und gar verlassen hast, und erspar ihm dieses qualvolle Ende …
    Zumindest dieser bescheidene Wunsch hatte sich erfüllt, musste Nick einräumen. Pflichtschuldig dankte er Gott für das Zeichen, aber in Wahrheit haderte er mit seinen unergründlichen Ratschlüssen.
    »Kommt, Lady Meg. Lasst uns verschwinden, ehe uns jemand erkennt. Ich bringe Euch nach Hause.«
    Sie kam auf die Füße, schüttelte aber den Kopf. »Ich … kann jetzt nicht heim, Nicholas … Mylord.«
    »Schsch«, warnte er gedämpft und sah sich nervös

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