Der dunkle Thron
zu gefährlich werden könnte, sie weiterleben zu lassen.« Ihre tiefe Stimme klang ruhig, aber sie musste einen Moment die Augen schließen, ehe sie weitersprechen konnte. »Sie sind maßlos geworden in ihrer Gottlosigkeit und ihrer Machtgier, alle beide. Und mein armer Gemahl ist wie Wachs in ihren Händen. In den nächsten Wochen wird das Parlament ein Gesetz verabschieden, welches den endgültigen Bruch mit dem Papst und der heiligen Mutter Kirche vollzieht. Cromwell nennt es die ›Suprematsakte‹. Der König wird kraft dieses Gesetzes zum alleinigen Oberhaupt der englischen Kirche, und dann wird sein ketzerischer Erzbischof Cranmer all die Freveltaten begehen, die sich hinter dem Wort ›Reform‹ verbergen.«
Nick schüttelte den Kopf und bekreuzigte sich. Madog tat es ihm gleich und murmelte: »Möge Gott dem König vergeben.«
»Ihr tätet gewiss ein gutes Werk, wenn Ihr für seine Seele beten wolltet, Master Pembroke«, pflichtete die Königin ihm bei. »Doch der König wird hohe Ansprüche an die Güte Eures Herzens stellen: Genau wie bei seinem Thronfolgegesetz wird auch im Fall dieser Suprematsakte jeder Engländer von Rang aufgefordert, das Gesetz per Eid zu bestätigen. Und den Eid zu verweigern wird dieses Mal nicht als schlichtes Vergehen geahndet …«
»Sondern als Verrat«, beendete Nick den Satz tonlos für sie.
Catalina sah ihn an und nickte. »Mary wird sich weigern, diesen Schwur zu leisten, Mylord. Und ich weiß nicht … was dann aus ihr werden soll. Ich bete Tag und Nacht, dass Gott sie ihre Treue zu seiner Kirche nicht mit dem Leben bezahlen lässt. Aber beten allein wird nicht reichen.«
»Sie muss England verlassen«, sagte Nick.
»Auf jeden Fall müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen. Ich bitte Euch, sprecht mit Chapuys, sobald er zurück ist. Ohne das Einverständnis des Kaisers können wir Mary nicht zu ihm schicken. Chapuys soll Karl unsere Lage unterbreiten und ihn bitten, Mary Asyl zu bieten und bei ihrer Flucht zu helfen, wenn es zum Äußersten kommt.«
»Aber was ist mit Euch, Majestät?« Nick wusste genau, dass auch sie diesen Eid niemals schwören würde.
Catalina legte die Hände im Schoß zusammen und hob die Schultern. »Ich bin die Königin von England, Mylord. Mein Platz ist hier, ganz gleich, was geschieht.« Sie erhob sich, und die beiden jungen Männer beeilten sich, ihrem Beispiel zu folgen. »Ich muss gehen«, sagte Catalina. »Ich will die Gefahr für Euch nicht unnötig vergrößern und mein armes Kind auch nicht länger allein lassen. Master Pembroke, Lord Waringham, meine Tochter und ich stehen tief in Eurer Schuld.«
Sie verneigten sich stumm, und Nick trat vor, um ihr die Tür aufzuhalten, die bedenklich schief in ihren zerborstenen Angeln hing.
Catalina blieb noch einmal vor ihm stehen. »Ich glaube kaum, dass wir uns in dieser Welt noch einmal wiedersehen, mein lieber Freund. Aber sorgt Euch nicht um mich. Marys Wohlergehen und Sicherheit sind es, die zählen. Denn nur sie kann tun, was ihre Großmutter vor ihr getan hat: ihr Land aus den Händen der Gottlosen befreien und zurück in den Schoß der Kirche führen.«
Das sind sehr ehrgeizige Ziele, dachte Nick. Ich wäre schon zufrieden, wenn wir alle mit dem Leben davonkämen. Aber er nickte.
»Lebt wohl, Mylord.« Sie nahm das Öllicht, das er ihr hinhielt, trat hinaus, und nach wenigen Schritten war sie hinter der Buchenhecke verschwunden, die die Gesindequartiere vom Palastgarten trennte.
Nicks Herz war bleischwer, als er die Tür schloss. »Wie unbeugsam sie ist«, bemerkte er. »Eine großartige Frau.«
Madog nickte und reichte ihm einen Becher Ale. »Kein Zweifel. Aber es verschlägt einem den Atem, mit welcher Selbstverständlichkeit sie über dein Leben verfügt.«
Nick nahm den Becher und trank durstig. »Sie kann es sich nicht leisten, zimperlich zu sein.«
»Nein.« Madog seufzte und stieß mit seinem Becher an Nicks. »Auf uns und alle anderen Verräter, die den Eid auf die Suprematsakte nicht schwören werden. Junge, Junge, jetzt wird es richtig ungemütlich.« Er nahm einen ordentlichen Zug.
Ganz gewiss, dachte Nick. Und er war dankbar, dass er dem scheinbar so irrsinnigen Impuls gefolgt war, seine Güter von Nathaniel Durham pfänden zu lassen. Der König konnte den Earl of Waringham verurteilen und für vogelfrei erklären, er konnte ihm den Kopf abschlagen oder ihn in viele kleine Stücke hacken lassen, wenn er ihn fand, aber enteignen konnte er ihn
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